Im Vorjahr hatte der deutsche Literaturkritiker Denis Scheck den richtigen Riecher. Heuer setzt er auf Thomas Pynchon. Bei den Wettanbietern liegt die Chinesin Can Xue vorne.
Die Ungewissheit macht einen Teil der Faszination der Nobelpreise auch, natürlich auch in der Literatur: Je näher die Bekanntgabe rückt, desto mehr wird spekuliert, wer es diesmal werden könnte. Am Donnerstag um Punkt 13.00 Uhr wird Mats Malm als Ständiger Sekretär der Schwedischen Akademie bekannt geben, wer heuer mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wird. In den Wettbüros liegt die über Heimat und Heimatlosigkeit schreibende Chinesin Can Xue vor dem Norweger Jon Fosse und dem Australier Gerald Murnane.
Im Kreis der Favoriten finden sich auch die langjährigen Anwärter Anne Carson, Haruki Murakami und Thomas Pnychon. Geht es nach dem deutschen Literaturkritiker Denis Scheck, könnte die Auszeichnung heuer tatsächlich an Pnychon gehen. Im Vorjahr hatte Scheck den richtigen Riecher, setzte er doch auf die ranzösische Schriftstellerin Annie Ernaux.
Pynchon sei ein „grüner Autor“
Auch diesmal hat Scheck einige Wunschkandidaten für den Nobelpreis im Köcher. Darunter ist zuvorderst der 86-jährige Amerikaner Pynchon, der nicht nur ein hervorragender Vertreter der amerikanischen Postmoderne, sondern von Beginn an auch ein „grüner Autor“ - bei manchen Umweltthemen also den Zeiten voraus - gewesen sei, sagt Scheck. Bei der Preisvergabe würde dann vielleicht ein weiteres Geheimnis gelüftet: Man weiß nicht, wie Pynchon aussieht, er lässt sich nicht fotografieren. Es kursieren nur wenige verschwommene Jugendfotos des Schriftstellers.
Der Somalier Nuruddin Farah hätte den Nobelpreis Schecks Ansicht nach ebenfalls verdient - „ein unglaublich vielschichtiger, psychologisch nuancierter Schriftsteller, dessen Romanwerk ich von Grund auf bewundere“, wie der Literaturexperte sagt. Auch Margaret Atwood sei eine würdige Kandidatin. „Ich nannte sie mal die Nobelpreisträgerin der Herzen“, so Scheck. Ebenso gönnen würde er es Salman Rushdie.
Scheck ist für die großen Namen
Scheck ist der Ansicht, dass sich die Schwedische Akademie bei ihrer Auswahl an die wirklich großen Namen halten sollte. „Ich finde, dass der Literaturnobelpreis nicht der Preis ist, der jetzt völlig eigenständige Entdeckungen machen sollte. Er ist wohlberaten, wenn er sich an die Autoren hält, die eben das schreiben, was wir unter Weltliteratur verstehen.“
Also: Favorit oder Unbekannte? Am Donnerstag um 13:30 Uhr wird dieses Geheimnis in Stockholm gelüftet. Die renommierte Nobelmedaille und das dazugehörige Nobeldiplom bekommt der Preisträger oder die Preisträgerin dann traditionell am 10. Dezember überreicht, dem Todestag von Preisstifter und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833-1896). Dotiert sind die Nobelpreise diesmal mit elf Millionen schwedischen Kronen (knapp 950.000 Euro) pro Kategorie, einer Million mehr als im Vorjahr. (APA/dpa)
Die Literaturnobelpreisträger der vergangenen Jahre
2019: Peter Handke (Österreich) „für ein einflussreiches Werk, das mit sprachlichem Einfallsreichtum Randbereiche und die Spezifität menschlicher Erfahrungen ausgelotet hat“
2020: Louise Glück (USA) „für ihre unverkennbare poetische Stimme, die mit strenger Schönheit die individuelle Existenz universell macht“
2021: Abdulrazak Gurnah (Tansania /Großbritannien) „für sein kompromissloses und mitfühlendes Durchdringen der Auswirkungen des Kolonialismus und des Schicksals des Flüchtlings in der Kluft zwischen Kulturen und Kontinenten“
2022: Annie Ernaux (Frankreich) „für den Mut und die klinische Schärfe, mit der sie die Wurzeln, Entfremdungen und kollektiven Fesseln der persönlichen Erinnerung aufdeckt“