Sachbuch

Täglich gab es einen halben Krug Bier

Zählt zu den bekanntesten Gelehrten des Mittelalters: Hildegard von Bingen.
Zählt zu den bekanntesten Gelehrten des Mittelalters: Hildegard von Bingen. Foto: Imago/Album
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Nonnen hatten im Mittelalter Zugang zu Bildung und Leitungsämtern. Henrike Lähnemann und Eva Schlotheuber geben in ihrem Buch „Unerhörte Frauen“ Einblick in die Lebenswelten und den Alltag in Klöstern.

Im Mittelalter war die Hälfte der Menschen, die in ein Kloster eintraten, Frauen – „Warum hören wir so wenig von ­ihnen?“ Diese Frage stellen die Autorinnen Henrike Lähnemann und Eva Schlotheuber zu Beginn ihres Buchs „Unerhörte Frauen. Die Netzwerke der Nonnen im Mittelalter“. Beide sind ausgewiesene Forscherinnen im Bereich Mittelalter. In der Wissenschaft hat sich einiges zum Thema getan – nicht so in popularisierter Form. Dabei bot das Kloster im Mittelalter Frauen die Möglichkeit, weitgehend unabhängig von der dominierenden Männerwelt zu agieren. Eine Äbtissin war eine anerkannte Persönlichkeit mit umfassender Machtbefugnis. Anders als bei adeligen Damen, die verheiratet waren und daher rechtlich ihrem Mann unterstanden, waren Äbte und – eben auch Äbtissinnen! – direkt dem Papst unterstellt. Das heißt, Nonnen konnten gegenüber dem regionalen Hochadel bis hin zum Landesfürsten in einem gewissen Maß souverän handeln. Und genau dieser Umstand macht sie für uns heute so interessant: Weit vor jeglicher Emanzipationsbewegung agierten die Nonnen weitgehend gleichberechtigt. „Die Aufnahme in einen Konvent ermöglichte den Mädchen den Zugang zu gelehrter Bildung und eine Karriere in verantwortungsvollen Leitungsämtern, denn sie standen nicht selten Gemeinschaften von 60 bis 80 Nonnen, zahl­reichen Laienschwestern und einem umfangreichen Gesinde vor.“

Verfasste Äbtissin das Nibelungenlied?

Die Bildung, die Frauen in Klöstern genossen, war für die mittelalterliche Lebenswelt enorm: Kenntnisse in Medizin, Verwaltung und Rechnungswesen wurden vermittelt, aber am erstaunlichsten ist wohl, dass man im Konsens mit der römischen Kurie den Nonnen Lese-, Schreib- und vor allem Lateinkenntnisse vermittelte. Latein war im Mittelalter die Lingua franca, die Verkehrssprache, mittels derer man sich über Landesgrenzen verständigte. Und noch mehr wurde geleistet: „Im Augustiner-Chorfrauenstift Marienberg in Helmstedt hätten die Mädchen und Nonnen unter der Lehrmeisterin Tecla im Gesang und in den gelehrten Wissenschaften so gute Fortschritte gemacht, dass sie die Heilige Schrift auszulegen wüssten und Briefe oder Nachrichten meisterlich zu verfassen verstünden.“ Gelehrte Frauen mitten im sogenannten dunklen Mittelalter – wer hätte das gedacht?!


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