Sie begrüßen einander jeden Morgen und tanzen vor dem Sex oft stundenlang miteinander. Seepferdchen leben meist monogam. Das Männchen übernimmt die Eier vom Weibchen und trägt sie in seiner Brusttasche aus.
Ein Seepferdchen reitet im Indischen Ozean nahe der Insel Sumbawa auf Meeresströmungen. Mit dem Schwanz greift es nach einem Stück Seegras, schwimmt so mit der steigenden Flut; mehr und mehr Müll wird Richtung Küste gespült, plötzlich lässt das Tier den Halm los, fasst nach einem rosa Wattestäbchen. Diesen Moment hält der britische Fotograf Justin Hofman mit seiner Kamera fest. Auf dem Bild ist der Kopf des Seepferdchens kaum größer als der Wattekopf des Stäbchens. Im Hintergrund sind helle Flecken zu sehen – Plastiktaschen, wie Hofman in Interviews erläuterte.
Das war im Sommer 2017. Einmal mehr wurde die Verschmutzung der Meere öffentlichkeitswirksam besprochen. Diesmal aber mit einem konkreten Ergebnis: Das Europäische Parlament beschloss ein Gesetz, das die Herstellung von Einwegplastik in der Europäischen Union verbietet. Seit Juli 2021 dürfen Luftballonstäbe, Trinkhalme, Rührstäbchen, Wattestäbchen aus diesem Material nicht mehr produziert und in den Handel gebracht werden.
Nie mehr soll ein Seepferd sich an ein in der EU hergestelltes Plastikteil klammern. Ein Seepferdchen brachte uns dazu, unsere Gesetze zu verändern. Auf Umwegen und ohne es zu beabsichtigen, indem es tat, was es eben tut: Es ließ sich treiben. Nur: Diesmal haben wir ihm dabei zugesehen.
Seepferdchen verharren stundenlang unter einer Alge, bis sie mögliche Beute entdecken – einen Kleinkrebs oder Wasserfloh etwa. Sie lauern ihnen auf, bis sie nahe genug an ihren Mund herankommen, der als Saugfangrohr funktioniert, ähnlich wie eine Pipette: Blitzschnell schlürfen sie den Krebs ein. Seepferdchen begrüßen einander jeden Morgen und tanzen vor dem Sex oft stundenlang miteinander. Sie leben meist monogam. Das Männchen übernimmt die Eier vom Weibchen und trägt sie in seiner Brusttasche aus.
Publikumsmagnet im Flakturm
Im Haus des Meeres in Wien, untergebracht in einem umgebauten ehemaligen Flakturm aus den 1940er-Jahren, züchtet Daniel Abed-Navandi seit 2005 Seepferdchen im Aquarium. Einfach ist das nicht, aber, wie Daniel sagt: „Wenn du keine Delfine halten kannst, musst du Seepferde haben. Sie sind der stärkste Publikumsmagnet.“
Die Seepferdchenbabys schweben hinter einer gut geputzten Scheibe in einer Wassersäule. Ein Spaziergang von kaum zehn Minuten, und ich bin dort. Wenn ich mich nach dem Meer sehne, danach, dem Leben unter Wasser zuzuschauen, kann ich jederzeit die Karibischen Langschnauzen-Seepferdchen besuchen. Hippocampus reidi gehören zu den größeren Arten der Gattung, von Krone bis Schwanzspitze können sie so lang werden wie eine Hand. Ihre meist hellgelbe Färbung macht sie zu attraktiven Aquarienfischen, außerdem sind sie als Tropenbewohner ganzjährig fortpflanzungsfähig – ein großer Vorteil bei der Zucht.