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Wie die Dissertation nicht zur unendlichen Geschichte wird

Sich jahrelang mit einer Fragestellung zu beschäftigen und darüber zu schreiben, erfordert viel geistige Ressourcen.
Sich jahrelang mit einer Fragestellung zu beschäftigen und darüber zu schreiben, erfordert viel geistige Ressourcen.gettyimage
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Wer den Doktortitel anstrebt, muss sich dem oft mühsamen Schreiben einer Dissertation widmen. Ein gutes Projektmanagement und Coaching helfen. Eine Anstellung ebenso.

Bereits der Philosoph und Schriftsteller Roland Barthes unternahm mehrere Versuche, eine Dissertation zu schreiben – und scheiterte jedes Mal. Denn das jahrelange Recherchieren und Zu-Papier-Bringen der eigenen Gedanken, Hypothesen und Methoden kann sich zur Mammutaufgabe entwickeln. Im Wintersemester haben sich insgesamt 20.492 Personen an den österreichischen Universitäten dieser gewidmet, 423 haben in diesem Jahr abgeschlossen.

Auch Alexander Flor hat es fast geschafft. Seit drei Jahren arbeitet er an seiner Doktorarbeit zu Fallstudien alter Musik auf dem Tonträgermarkt, im kommenden Frühjahr möchte er abgeben. Damit liegt Flor gut in der Zeit, denn die Regelstudienzeit liegt bei drei Jahren, wobei nur wenige diesen Zeitrahmen einhalten können, wie Lucas Zimmer vom DoktorandInnenzentrum der Universität Wien weiß: „Durchschnittlich dauert eine Dissertation viereinhalb Jahre, was vielfach daran liegt, dass Studierende parallel zum Diss-Schreiben andere Verpflichtungen, wie Kinder oder Beruf, zu erfüllen haben.“

Anstellung erleichtert Erfolg

Die Erfolgsquote unterscheidet sich auch stark danach, ob man für die eigene Forschung eine Infrastruktur wie Labore braucht oder nicht, wie eine Studierenden-Sozialerhebung aus dem Jahr 2019 des Instituts für Höhere Studien (IHS) zeigt. Die niedrigste Abbruchrate zeigte sich in den Naturwissenschaften, der Technik und Medizin, höher fällt diese in den Geistes- und Sozialwissenschaften aus. Das liegt auch daran, dass erstere Dissertanten häufiger an einer Universität angestellt sind, was den Zugang zu den Forschungsmitteln erleichtert und mehr Zeit bringt, sich der Dissertation zu widmen.

Alexander Flor hat das Glück einer Uni-Stelle und arbeitet 20 Stunden als Prae Doc an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (MDW). „Ich kann und muss also einen Teil meiner Arbeitszeit für die Dissertation verwenden.“ Anders wäre er in drei Jahren nicht so weit gekommen, ist er überzeugt. „Eine Dissertation zieht unglaublich viele Ressourcen ab, sowohl körperlich als auch geistig, und ist extrem zeitintensiv“, sagt der Musikwissenschafter. Einfach sei es aber trotz fixer Stelle nicht. Flor: „Das Thema verlässt einen nie, und die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen immer stärker.“

Soziales Umfeld einbeziehen

Ein gutes Projektmanagement sei daher besonders wichtig, betont Huberta Weigl, Gründerin der Schreibwerkstatt, in der sie Studierende in Form von Coachings und Workshops beim Schreiben von Uni-Arbeiten unterstützt. Sie empfiehlt außerdem, das soziale Umfeld von Anfang an ins Boot zu holen, damit Partner und Familie, aber auch Freunde beim Projekt Diss unterstützen können – vor allem, wenn Kinder zu betreuen sind. Auch sollte ein Thema gewählt werden, das einen interessiert und das einem Freude macht, da man sich ja zumindest drei Jahre intensiv damit beschäftige. Zinner ergänzt dazu einen weiteren Aspekt: „Man sollte gleich überlegen, wie realistisch es ist, an Daten und Informationen zu kommen.“ 

Exposé und Gliederung

Ein weiteres Erfolgsgeheimnis: das Forschungsexposé. Dieses wird an der Uni Wien seit 2018 verpflichtend verlangt und ist dazu da, das Thema, die Methodik und das Ziel kurz zu beschreiben. Mindestens genauso wichtig sei nach Ansicht Weigls eine vorläufige Gliederung, im Idealfall bereits mit den Seitenvolumina der Hauptkapitel. „Damit sieht etwa der Betreuende, ob das Thema verstanden wurde, ob Eingrenzungsbedarf besteht und ob die Gewichtung stimmt.“ Gleichzeitig werde ein großes Projekt in kleine Schritte aufgeteilt, was helfe, etwaige Ängste zu reduzieren. Sind diese Punkte abgehakt, steht die vertiefende Recherchephase auf dem Programm. „Idealerweise recherchiert man zu einzelnen Kapiteln, um Überforderung zu vermeiden. Danach beginnt man jenes Kapitel zu schreiben, auf das man am meisten Lust hat“, sagt die Schreibexpertin. Um Schreibhemmungen oder Frust zu überwinden, hätten sich kreative Schreibmethoden wie beispielsweise Free Writing oder Schreibgruppen bewährt. Zinner hat noch einen weiteren Rat parat, nämlich regelmäßig Kontakt mit dem Betreuer zu pflegen – und gut vorbereitet in die Treffen zu gehen.

Uni-Angebot nutzen

Die Universitäten bieten außerdem eine Vielzahl an Unterstützungs- und Betreuungsangeboten für Dissertanten an. Diese reichen von Doktorratsschulen, die unter anderem auf die Steigerung von Motivation und Zugehörigkeitsgefühl zum jeweiligen Institut abzielen, über Peerlearnings bis hin zu Schreibgruppen und -coachings. Pro Jahr gibt es an die 100 Workshops für Dissertanten. Ein Aspekt ist auch deren mentale Unterstützung. „Natürlich zweifelt man gelegentlich, ob man es schafft oder gut genug ist“, weiß Zinner. Damit soll die Drop-out-Quote weiter verringert werden, denn „nicht zuletzt tragen die Angebote dazu bei, die Zeit als Doktorand nicht nur als Belastung, sondern auch positiv zu sehen.“


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