Antisemitismus

Entsetzen nach Brandanschlag: „Das muss aufhören“

Am Tatort wurde auch ein (verkehrtes) Hakenkreuz an eine Wand gesprüht.
Am Tatort wurde auch ein (verkehrtes) Hakenkreuz an eine Wand gesprüht. APA / APA / Georg Hochmuth
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Nach mehreren Anti-Israel-Aktionen folgte nun eine Eskalation: In der Nacht auf Mittwoch gab es einen Brandanschlag auf einem jüdischen Friedhof. Die Politik reagiert bestürzt.

Israelfeindliche Demonstrationen, verstärkte Überwachungen jüdischer Einrichtungen, Aktionen wie jene jüngst in Wien, als eine Israel-Fahne vom Stadttempel in der Innenstadt gerissen wurde, und eine erhöhte Terrorwarnstufe: Der Nahost-Konflikt beschäftigt nach den am 7. Oktober gegen Israelis verübten Hamas-Terrorattacken auch Österreich, und in der Nacht auf Allerheiligen kam es zu einer weiteren antisemitischen Eskalation.

Am Mittwochvormittag postete Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, ein Bild von einem ausgebrannten Vorraum einer Zeremonienhalle im jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs. „In der Nacht wurde am jüdischen Teil des Zentralfriedhofs ein Brand gelegt“, so Deutsch, „an den Außenmauern wurden Hakenkreuze gesprayt.“ Personen seien dabei nicht zu Schaden gekommen, schrieb Deutsch. Doch im ausgebrannten Raum „befanden sich sehr wertvolle alte Bücher und ein Thoraschrein ohne Thorarollen“. Deutsch: „Alles zerstört.“ Der Brandanschlag sei „einer von 165 bestätigten antisemitischen Vorfällen seit dem Massaker am 7. Oktober“ gewesen. Deutsch rief dazu auf, am Donnerstag zum Lichtermeer beim Wiener Heldenplatz zu kommen, um „ein Zeichen gegen Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit“ zu setzen.

Feuer an zwei Stellen gelegt

Die Einsatzkräfte wurden am Mittwoch kurz nach 8 Uhr alarmiert, sagte Feuerwehrsprecher Gerald Schimpf. In einem Nebengebäude des Kuppelbaus „dürfte es schon in den Nachtstunden gebrannt haben“, sagte der Sprecher. Die Flammen seien weitgehend von selbst erloschen. Die Feuerwehr bekämpfte noch Glutnester und belüftete die verrauchten Räumlichkeiten. Zunächst gab sich die Polizei in puncto Brandursache noch zurückhaltend: „Die genauen Umstände sind derzeit noch nicht bekannt und sind Gegenstand laufender Ermittlungen“, hieß es am Mittwochnachmittag in einer Aussendung der Polizei.

„Das Landeskriminalamt Wien ist vor Ort mit der Spurensicherung betraut“, so die Polizei, auch der Verfassungsschutz ermittle „intensiv in alle Richtungen“. Ermittler gehen jedoch von Brandstiftung aus, da das Feuer laut derzeitigen Erkenntnissen an zwei Stellen ausgebrochen sein dürfte. Laut Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) musste am Dienstagabend am Stephansplatz zudem eine unangemeldete Versammlung von der Polizei aufgelöst werden, weil „zahlreiche Personen antisemitische Parolen skandierten“.

Politik ist entsetzt

Die Politik reagierte bestürzt: „Die Nachricht von einem Brandanschlag auf den jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs schockiert mich zutiefst“, erklärte Bundespräsident Alexander Van der Bellen. „Die Zahl der antisemitischen Vorfälle in Österreich ist in den letzten Wochen signifikant gestiegen. Das muss aufhören!“ Van der Bellen weiter: „Jüdinnen und Juden müssen in Österreich in Sicherheit leben können. Antisemitismus hat hier keinen Platz, Hass hat hier keinen Platz.“

Ähnlich reagierte die Regierungsspitze: Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) verurteilte den „Anschlag auf den jüdischen Friedhof in Wien auf das Schärfste“ und erklärte, dass man „Antisemitismus mit allen politischen und rechtsstaatlichen Mitteln“ bekämpfe. „Der antisemitische Brandanschlag am Zentralfriedhof ist ein weiterer Akt vollkommen inakzeptabler Aggression auf die Sicherheit jüdischen Lebens in Österreich“, sagte Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler, Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sprach von einem „beschämenden Zeugnis von jenen, die die Werte unserer Gesellschaft mit Füßen treten“.

Wiens Bürgermeister, Michael Ludwig, ist „erschüttert“, Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (beide SPÖ) rief dazu auf, „dem wie ein gefährlicher Virus um sich greifenden Judenhass geschlossen zu begegnen und unmissverständlich und mit aller Härte entgegenzutreten“.

Niederösterreichs Landeshauptfrau, Johanna Mikl-Leitner, forderte vorerst nicht näher definierte Verschärfungen: „Wenn die Gesetze nicht ausreichen, um eine abschreckende Wirkung zu entfalten, müssen wir sie verschärfen. Und das ist bei dieser Serie an antisemitischen Vorfällen ohne Zweifel der Fall.“ Und: „Wenn manche Herrschaften in unserem Land judenfeindlichen Vandalismus als Lausbubenstreich abtun, müssen wir ihnen zeigen, dass ein solcher Anschlag empfindliche persönliche Konsequenzen nach sich zieht.“ (kk, APA)

»Es ist einer von 165 bestätigten antisemitischen Vorfällen seit dem Massaker am 7. Oktober.«

Oskar Deutsch

Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde

»Die Nachricht von einem Brandanschlag auf den jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs schockiert mich zutiefst.«

Alexander Van der Bellen

Bundespräsident

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