Mit trockenem Witz und gänzlich unsentimental wird in „The Lovers“ von einer Affäre zwischen einer nordirischen Supermarktmitarbeiterin und einem Londoner TV-Journalisten erzählt. Die Serie thematisiert auch die Wunden des Nordirland-Konflikts, ohne sich selbst allzu ernst zu nehmen.
Die Chuzpe muss man einmal haben. Als Janet (Roisin Gallagher) gefragt wird, was mit ihrem Ehemann passiert ist, wird sie ganz ernst und beschreibt einen so tragischen wie pikanten Tathergang: Ein Sex-Abenteuer sei fatal danebengegangen. „Er ist an einem Dildo erstickt“, sagt sie mit brüchiger Stimme und nassen Augen. Seamus (Johnny Flynn) gibt sein Bestes, ihr verständnisvoll zu kondolieren, und streichelt peinlich berührt ihre Schulter. Bis aus Janets Schluchzen ein hämisches Lachen wird. „Er hat mich für eine andere verlassen“, sagt sie trocken, bevor sie aus dem Raum geht.
Es ist wahrlich keine sentimentale Liebesgeschichte, die in der neuen Sky-Serie „The Lovers“ erzählt wird – und wer die nordirische Comedy-Serie „Derry Girls“ kennt, wird wohl ein paar Spuren des dort vorherrschenden, trocken-absurden Humors darin finden. „The Lovers“ spielt zu weiten Teilen in Belfast, erzählt wird über sechs Folgen von der sich entwickelnden Affäre zwischen einer nordirischen Supermarktmitarbeiterin (Gallagher) und einem Londoner TV-Journalisten (Flynn, bekannt aus der Netflix-Serie „Lovesick“), dessen Polit-Talkshow ihn unfreiwillig nach Belfast führt.

Dabei folgt die Serie lang der bewährten „Was sich liebt, das neckt sich“-Logik und der daraus resultierenden Chemie, die im Fall der beiden Hauptfiguren tatsächlich spürbar ist: Sie eine dauerfluchende, von einer falschen Lebensentscheidung in die nächste wankende Frau aus der Arbeiterklasse, er ein egozentrischer, Luxus-verwöhnter, von sich selbst überzeugter – und nebenbei an eine wunderbare, sympathische Freundin vergebener – Großstadtmann. Bald wird klar, dass beide nicht voneinander lassen wollen. Und dass sie, indem sie sich füreinander verletzlich machen, auch in Sachen Selbstliebe ein gutes Stück weiterkommen können.
Depression? Verflogen, als der Engländer im Garten landet
Geschrieben wurde die Serie vom nordirischen Dramatiker David Ireland. Als leichtfüßige Romanze funktioniert „The Lovers“ gut und ist durchwegs charmant, manche dahinterliegenden Themen werden aber so lapidar und beiläufig abgehandelt (und wieder links liegen gelassen), dass sie eher als narrative Deko denn als tiefer gehende Unterfütterung der Geschichte dienen. In der ersten Begegnung der beiden Hauptfiguren flieht Seamus vor einer jugendlichen Gang, die er in einer Moderation, live von der harten, rauen „Straße“, erzürnt hat, und hievt sich über Janets Hausmauer, hinter der sie gerade einen Suizidversuch mit einem Gewehr starten wollte: eine doppelte Rettung. Die schwere psychische Krise Janets scheint damit geheilt: Als gäbe es kein besseres Mittel gegen Depression als einen hübschen Engländer, der unvermittelt im eigenen Garten landet.
Der Nordirland-Konflikt und seine bis heute reichenden Konsequenzen spielen eine zunehmende Rolle in den sechs Folgen, wobei auch hier keine politischen Tiefenbohrungen vollzogen werden. Die Serie solle zeigen, „dass es mehr gibt, das uns eint, als uns trennt“, sagt Hauptdarstellerin Gallagher. Und in diesem Sinne ist „The Lovers“ tatsächlich eine wärmende, vergnügliche, sich selbst nicht allzu ernst nehmende Serie, die mit spitzen Dialogen, bizarren Wendungen und dunklem Humor die Fantasie hochhält, dass es manchmal vielleicht nur ein bisschen sexuelle Anziehung und romantische Gefühle braucht, um Klassenklüfte und historische Traumata zu überwinden.