Den Europäern des Neolithikums traute man bisher nur Scharmützel und Überfälle zu. Dabei fanden echte Kriege 1000 Jahre früher statt als vermutet.
Im biblischen Mythos von Kain und Abel dürfte eine traurige Wahrheit stecken: Gewalt gibt es, seit es Menschen gibt. Und wir wissen, dass die Vorgeschichte auch in dieser Hinsicht weit gefährlicher war als unsere Gegenwart. Das haben etwa die grausigen Funde in Schletz bei Asparn im Weinviertel gezeigt: Dort wurde vor 7000 Jahren ein ganzes Dorf bei einem Überfall ausgelöscht, bis zu 200 Bewohner wurden massakriert und ihre Leichen in den Wehrgraben geworfen.
Aber Krieg ist mehr: Er zieht sich über einen längeren Zeitraum und erfordert einen Aufwand an Organisation und Logistik, den die Historiker bisher erst den Europäern der Bronzezeit zugetraut haben, ab rund 2000 vor Christus.
Der Gedanke dabei ist: Davor, im Neolithikum, hatten sich unsere Ahnen erst sesshaft gemacht, ihre Siedlungen erzielten noch nicht den Überschuss an materiellen Mitteln, der Kriegsführung ermöglicht. Die archäologischen Funde schienen das zu bestätigen. Bis jetzt. Denn nun hat ein Team von Archäologen rund um Teresa Fernández-Crespo von der Universität Oxford ein schon länger bekanntes Massengrab in der Region Rioja in Nordspanien noch einmal genau untersucht (Scientific Reports, 2.11.).
Viele verheilte Pfeilwunden
Sie haben bei den zwischen 5000 und 5400 Jahre alten Überresten unterm Felsüberhang von San Juan ante Portam Latinam einiges entdeckt, was auf einen „echten“ Krieg deutet. Bei den Opfern von Gewalteinwirkung überwiegen dort erwachsene Männer und männliche Jugendliche – anders als bei Massakern, wo proportional Frauen und Kinder getötet wurden. Die Opfer wurden nicht (wie etwa in Schletz) mit Knüppeln erschlagen, sondern von Pfeilen getroffen. Vor allem aber: Auffallend viele Knochenreste zeigen verheilte Pfeilwunden. Das deutet auf einen längeren bewaffneten Konflikt hin, der sich über Monate, wenn nicht Jahre zog.
Je mehr die Analyse ins Detail geht, desto gruseliger wird es. Überproportional viele gewaltsam Verstorbene waren Jugendliche. Sie dienten vermutlich als letzte Reserve, die eingesetzt wurde, als viele erwachsene Krieger schon gefallen waren.
Unter jenen, die offenbar keines gewaltsamen Todes starben, finden sich viele Anzeichen von Unterernährung und starken Stressfaktoren. Das deutet darauf hin, dass die Gegner das Gebiet plünderten und Ressourcen zerstörten. Immerhin: Der Felsüberhang war eine – wenn auch ungeordnete – Begräbnisstätte. Also haben genügend viele die Angriffe und Schlachten überlebt, um Angehörige beerdigen zu können.
Die Art der Bestattung ist im übrigen auch das einzige Indiz für die Ursache der Feindschaft. Auf relativ engem Raum variierte sie in der Region stark, von Höhlen bis zu Grabmonumenten. Vielleicht spiegelt diese kulturelle Vielfalt eine Entfremdung wider, aus der dann Hass erwuchs.