Ausstellung

Vom Seuchenteppich zur Coronamaske: Neuer Schwerpunkt im Technischen Museum

Gestern Theriak, heute Schüßler Salze? Schaukasten im neuen Bereich „Mikrobenjagd“ im Technischen Museum.
Gestern Theriak, heute Schüßler Salze? Schaukasten im neuen Bereich „Mikrobenjagd“ im Technischen Museum.TMW/Martina Flieszer
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Mikrobiologie und Pharmazie im Technischen Museum Wien: Es zeigt einen neuen Bereich namens „Mikrobenjagd“ und eine temporäre Schau über Viren.

Mit Theriak (auf Honigbasis) kämpfte man gegen Pest und Cholera, mit Spießglanzkalk (Antimonsulfid) gegen „böse Fieber“, mit Mäusekot gegen Wassersucht und Warzen: Wer darüber spottet, sollte einmal nachsehen, wie viele nicht so originelle, aber ebenso wenig wirksame Arzneien (z.B. Schüßler Salze oder Homöopathika) in heutigen Apotheken angeboten werden. Zeugnisse solcher vorwissenschaftlicher Medizin eröffnen jedenfalls einen neu gestalteten, von Österreichs pharmazeutischer Industrie geförderten Themenbereich im Wiener Technischen Museum. „Mikrobenjagd“ heißt er, inspiriert von Paul de Kruifs Buch „Mikrobenjäger“ (1926), das in ganzen Generationen das Interesse für Mikrobiologie geweckt hat.

In diese Tradition stellt sich auch eine neue Wanderausstellung namens „Erkundung des Unsichtbaren“, die sieben Viren (Pocken, HPV, Influenza, HIV, FSME, Hepatitis C, Corona) porträtiert und dabei einiges biochemisches Grundwissen ganz geschickt vermittelt, dazu diverse Verhaltensmaßregeln. Wobei im HIV-Bereich die überkorrekte Formulierung „Menschen mit Vagina“ und „Menschen mit Penis“ für Frauen und Männer schmunzeln lässt. Ob diese Schau, die auch diverse Bilder von Viren zeigt, vielleicht manche „Coronaskeptiker“ – die ja mitunter sogar die Existenz von Viren leugnen – überzeugen kann? Immerhin möglich wäre es im Technischen Museum Wien von jetzt bis 8. Dezember.

Neben der Hygiene-Abteilung

Dauerhaft ist dagegen der Bereich „Mikrobenjagd“, der an die Abteilung für Hygiene anschließt. Eine alte Zentralstaubsauganlage verleiht ihr das bewährte Technisches-Museum-Flair. Etliche Objekte zeigen, dass man Erreger nie nur medikamentös oder durch Impfungen bekämpft hat, sondern auch durch physische Abgrenzung. Die Attrappe eines Seuchenteppichs erinnert an die Maul-und-Klauen-Seuche 1950, ein Spucknapf an die Tuberkulose, ein Stock mit der Aufschrift „Bitte Abstand halten“ an Covid: Die Frau, die ihn besaß, sei dennoch daran gestorben, liest man.

Nachdenklich stimmt auch eine Tabelle, die die Wiener Bezirke nach Wohndichte und, parallel dazu, Sterblichkeit an Infektionskrankheiten ordnet. Es führen Favoriten und Simmering, am Ende stehen Josefstadt und Innere Stadt. Die Erreger mögen sich geändert haben, doch die Reihenfolge ist bis heute ähnlich geblieben.

Daneben liest man den bitteren Slogan „Stadtluft macht krank“. Diese Korrelation erklärte man einst durch Miasma – nicht näher definierte krankmachende Materie –, heute unter anderem durch den omnipräsenten Feinstaub. Ein Schaukasten zu den Füßen der Besucher zeigt einen neuen Pflasterstein, daneben einen abgenutzten, deutlich geschrumpften. Der Rest ist Staub. Ein Beispiel dafür, wie geschickt sich das – auch an „normalen Werktagen“ erstaunlich gut besuchte – Technische Museum heute der Umweltproblematik stellt.


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