Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer sieht den Mangel an Arbeitskräften als das dringendste Problem für die heimische Wirtschaft. Zuwanderer hätten eine Verpflichtung, etwas für den Staatshaushalt und das Gemeinschaftsgefüge beizutragen. Der Chefverhandler der Gewerkschaft, Reinhold Binder, habe sich durch seine jüngsten Aussagen im Rahmen der Lohnrunde „selbst disqualifiziert“.
Die Presse: Diese Woche gab es bei den Metallern Warnstreiks. Kommt es bei der nächsten Verhandlungsrunde zu keiner Einigung, drohen sogar unbefristete Streiks. Die Fronten sind verhärtet wie schon lang nicht mehr. Funktioniert die Sozialpartnerschaft in diesem verschärften Klima noch?
Harald Mahrer: Die Sozialpartnerschaft hat ja viel mehr Aufgaben als die Tarifpartnerschaft. Es gibt eine enge Partnerschaft in der Selbstverwaltung der Sozialversicherung, und es gibt ständig Entwicklungsprogramme zu unterschiedlichen gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Themen. Und wir helfen bekanntlich der Bundesregierung in Krisenzeiten, wenn die öffentlichen Institutionen schwach und langsam sind, mit schnellen und funktionierenden Lösungen. In der Tarifpartnerschaft ist die Situation derzeit für beide Seiten schwierig. Denn standortpolitisch ist die Entwicklung in ganz Europa zurzeit dramatisch und daher auch für die österreichische Exportwirtschaft – die der wichtigste Teil unserer Wirtschaft ist. Und das bedingt einfach Flexibilität. Man muss nun auf kreative Lösungen kommen, die man so noch nicht gemacht oder sogar angedacht hat.
Als solch kreative Lösungen haben die Arbeitgeber Einmalzahlungen oder einen Abschluss auf zwei Jahre ins Spiel gebracht. Der Chefverhandler der Gewerkschaft, Reinhold Binder, hat darauf gemeint, dass die Arbeitgeber damit „scheißen gehen“ könnten.
Wer als Chefverhandler so eine Sprache spricht, disqualifiziert sich selbst. Ich habe auch ÖGB-Chef Wolfgang Katzian persönlich gesagt, dass ich diese Wortwahl als verfehlt empfinde. Und ich habe mich auch gewundert, dass im Rahmen der Warnstreiks der öffentliche Verkehr lahmgelegt wird. Ich habe nicht gedacht, dass sich manche auf das Niveau der Klimakleber begeben.
Aber war ein Angebot von 2,5 Prozent plus Einmalzahlung bei einer Inflation von 9,6 Prozent nicht auch ein Fehdehandschuh?
Wenn ich aufeinander zugehen möchte, dann muss ich eine Brücke bauen – und zwar von beiden Seiten. Ich kann nicht erwarten, dass die andere Seite gänzlich den Fluss durchschwimmt. Und die steuerfreien Prämien waren auf einer gemeinsamen Liste der Sozialpartner zur Bekämpfung der Teuerung im Frühjahr 2022. Hier hat man schon im Vorjahr bei den Verhandlungen ein schlechtes Kurzzeitgedächtnis an den Tag gelegt.
Für die Unternehmer heißt es nun also, sie können sich entweder auf Streiks oder auf sehr hohe Lohnerhöhungen einstellen.
Ja, es ist tatsächlich eine sehr harte Situation, und nun wird der Herbst halt wirklich heiß.
Möchte man mit dieser harten Haltung die Tradition der Benya-Formel samt fixer Abgeltung der Inflation brechen?