Sie sind die Menschen, die für die „Presse“ über die schönen Dinge des Lebens berichten. Almuth Spiegler, Karl Gaulhofer und Daniel Kalt über ihren Weg zu Kunst, Mode und Philosophie – und das Dilemma der tagesaktuellen Kulturkritik.
Manche spielen Quartett, andere mit Alten Meistern. Ihre Mutter, erzählt Almuth Spiegler, sei in der Obersteiermark aufgewachsen, die Familie hatte dort ein Gasthaus mit Pension. Irgendwann nach dem Krieg habe jemand aus dem Kunsthistorischen Museum dort Urlaub gemacht und später dem Mädchen einen Packen Postkarten geschickt – mit Abbildungen der Gemäldegalerie. Eine Generation später spielte dann auch Spiegler gern damit. Sie habe sich einen Spaß daraus gemacht, die Jahreszahlen zu lernen, erzählte die heutige Feuilleton-Chefin und Kunstkritikerin bei der jüngsten „Presse“-Matinee.
In dem neuen Format gibt die „Presse“ seit einigen Monaten Einblick in die Arbeit hinter den Kulissen. Gartenkolumnistin Ute Woltron war ebenso schon zu Gast wie Ukraine-Korrespondent Alfred Hackensberger; Thomas Vieregge berichtete vom Korrespondentenalltag in den USA, Madlen Stottmeyer von ihrer Arbeit im Umfeld von Wirecard und Signa und den vielen Anwaltsbriefen, die sie im Zuge ihrer Recherchen schon erhalten hat. Zuletzt hatten erst am Freitag Chefredakteur Florian Asamer und Karriere-Chef Michael Köttritsch auf der „Presse“-Schau Einblick in die Überlegungen hinter Titelseiten gegeben und zahlreiche Fragen beantwortet (Werden Medien eigentlich gesteuert? Wenn ja, welche und von wem?).
Zwischen Porträt und Verriss
Am Sonntag ging es im Rahmen der „Presse“-Schau in der Marx-Halle um das Thema Schönheit. Chefin vom Dienst Friederike Leibl-Bürger sprach dazu mit Spiegler, deren Co-Feuilletonchef, Karl Gaulhofer, und Daniel Kalt, Chefredakteur des „Schaufenster“, das sich schon laut Mission Statement mit den „schönen Seiten der ,Presse‘“ beschäftigt – und das mitunter schon vorab. Porträts interessanter Kunstschaffender erscheinen etwa tunlichst nicht zur Premiere, erklärt er: „Es könnte ja sein, dass es dort dann ein Verriss ist.“
Wobei: „Wie hat’s dir gefallen?“, das sei ein Satz, den vor allem Opern- und Theaterkritiker ungern hören, wenn sie unmittelbar nach der Premiere ein Urteil aus dem Ärmel schütteln sollen (Ausstellungen kann man meist schon vorab sehen). Ein Dilemma, sagt Gaulhofer, der seinen Leserinnen und Lesern gern spätestens frühmorgens eine Kritik bieten würde. „Aber unsere Kollegen sagen, das geht nicht so schnell. Man muss darüber schlafen, die Eindrücke verarbeiten.“
Diese Zeit zu geben, so Spiegler, habe auch mit Respekt gegenüber den Künstlern zu tun, „die zumindest wochenlang an etwas gearbeitet haben.“ Apropos: Dass aus dem Kind, das mit den Alten Meistern spielte, eines Tages eine Kunstkritikerin werden würde, sei nicht immer klar gewesen. Sehr wohl wusste sie, dass sie Journalistin werden will. Nicht Schriftstellerin, „dazu war ich zu weltzugewandt und an der Begegnung interessiert“. Im Kulturbereich landete sie noch als Schülerin, „durch Zufall“ über ein Praktikum.

Schon immer für Mode begeisterte sich Daniel Kalt. Einen frühen Wechsel des Kärntners auf eine Modeschule verhinderte sein Deutschlehrer am Elternsprechtag („Schneider soll er werden?“). Später am Modekolleg zeigte sich, dass er eher der Theoretiker denn der Praktiker ist. Kalt wechselte an die Uni und wagte sich an das „größtmöglich Theoretische diesseits der Philosophie“, vergleichende Literaturwissenschaft. Daneben studierte er Romanistik, heute spricht er „all das, was man als Romanist halt so kann“ und was in den Modemetropolen hilfreich ist, Französisch, Italienisch, auch Spanisch und Portugiesisch; Englisch natürlich, dazu Rumänisch, Schwedisch, Russisch.

Tatsächlich Philosophie studiert hat Karl Gaulhofer, allerdings auch nicht gleich. Er ist überhaupt ein journalistischer Spätstarter, hat erst mit 38 zu schreiben begonnen. Aufgewachsen umgeben von Bergen im steirischen Murtal, hat er zunächst BWL absolviert, später als Key-Account-Manager bei Henkel gearbeitet. Wobei, „das klingt so hochtrabend“, relativiert er, tatsächlich habe er Waschmittel in der Provinz verkauft, das allerdings „ungemein erfolgreich, offenbar habe ich viel Mitleid erregt“.

Später wechselte er ins Familienunternehmen in der Fensterbranche, Controlling, Einkauf, Marketing, „was mir am meisten Spaß gemacht hat, war, mit der Werbeagentur Katalogtexte zu schreiben“. Eine Sartre-Biografie weckte sein Interesse an der Philosophie, die er fortan in der Freizeit studierte. Spannend an Schönheit und Kunst findet er, wie absolut Urteile eingefordert würden. „Ich selbst hasse gebratene Kalbsleber, aber es ist okay für mich, wenn das jemand liebt. Aber in der Kunst ist das anders. Da heißt es, der Film, der Roman ist gut. Man streitet darüber, erhebt den Anspruch, dass man objektiv Maß anlegen kann.“
Geschmack und Impuls
Diskutiert, erzählt Daniel Kalt, werde auch unter Modekritikern. Das, worauf sich alle einigen könnten, sei dann oft ein bisschen langweilig. „Das, was als hässlich oder aufrüttelnd empfunden wird, ist das, wo ein neuer Impuls stattfindet.“ Etwas anzuregen, ergänzt Spiegler, sei auch die Aufgabe von guter Kunst. Sie nennt als Beispiel jenen Brunnen von Gelatin in Favoriten, der die Wogen gerade hochgehen lässt. „Das Lustige ist, dass auch der Donnerbrunnen, gleich nachdem er aufgestellt worden war, wieder weggeräumt werden musste, weil Maria Theresia ihn unanständig fand. Heute gilt er als hehres Schönheitsideal.“ Und im Vergleich zu seiner Umgebung sei der Gelatin-Brunnen jedenfalls wunderschön.
