Zwei aktuelle Klagen von Mitarbeiterinnen werfen ein Schlaglicht auf die Unternehmenskultur des ORF. Es geht um mutmaßliche Interventionen und sexuelle Belästigung.
Seit fast einem Jahr kämpft Sonja Sagmeister gegen ihren Arbeitgeber. Zunächst intern, via Mails, mit Protestaufrufen und Krisensitzungen. Am Freitag tut sie das vor dem Wiener Arbeitsgericht, wo der zweite Verhandlungstag ihrer Causa ansteht. Es geht um einen Interventionsversuch, den sie abgewehrt haben will und der aus ihrer Sicht Mobbing, Benachteiligung und schließlich die Kündigung nach sich zog.
Der ORF bestreitet alle Vorwürfe. Die Redaktionsvertretung habe festgehalten, dass im Falle Sagmeisters „überhaupt kein Eingriff in ihre journalistische Tätigkeit“ erfolgt sei, heißt es auf Nachfrage beim ORF zur „Presse“. Eine Beschwerde Sagmeisters bei der KommAustria habe ergeben, dass „dem ORF kein rundfunkrechtlich zu beanstandendes Verhalten vorzuwerfen“ sei. Die Beschwerde wurde abgewiesen.
Dass Sagmeister wenige Tage vor Prozessstart vor die Tür gesetzt wurde, ist jedenfalls bemerkenswert. Als Grund für die Kündigung gibt man an, dass „trotz monatelangen Bestrebens“ und „Ersuchens“ Sagmeister „keinen vertragskonformen Zustand in Bezug auf Ihre Nebenbeschäftigungen herstellen wollte“.
„Nicht in Nordkorea“
Aber der Reihe nach: Den Anfang nimmt die Causa nach einem Interview von Sagmeister mit Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) im Oktober 2022. Sagmeisters Vorwurf laut Klageschrift, die der „Presse“ vorliegt: Die Minister-Pressesprecherin habe von Sagmeister verlangt, vorab fixierte Fragen zu stellen. Auch der Sendeplatz soll fix gewesen sein. Als Sagmeister sich mit dem Hinweis, „nicht in Nordkorea“ und „kein Mikrofonständer“ zu sein, wehrte, soll die Sprecherin bei der ORF-Ressortchefin interveniert haben. Sagmeister fragte Kocher dennoch auch zu anderen Themen. Ihre Chefin soll sie deshalb später aufgefordert haben, den Beitrag entsprechend zu schneiden. Sagmeister habe „Grenzen überschritten“, lautete ihr Argument laut Protokoll.
Denn ein solches hat Sagmeister über die Vorkommnisse noch am selben Tag erstellt. Es liegt der „Presse“ vor und wurde an Generaldirektor Weißmann, Redakteurssprecher Bornemann (der ihr Vizeressortchef ist) sowie an die Ressortleiterin geschickt. Sagmeister erklärt ihr Verhalten damit, unabhängig berichten zu wollen.