Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit Europas sei ein Thema, das unbedingt angegangen werden müsse, so EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni im Gespräch mit der „Presse“. Er hat auch einen Vorschlag, was getan werden müsste. Heuer wird das Wachstum der Union nur 0,6 Prozent betragen. Österreich ist mit einem Minus von 0,5 Prozent dabei unter den Schlusslichtern.
Wien. Im globalen Vergleich ist Europa heuer wirtschaftlich nur schwach unterwegs. Während in den großen Schwellenländern China und Indien das Wachstum zurückgekehrt ist, wird die europäische Wirtschaft heuer nur um 0,6 Prozent zulegen, so die Herbstprognose der EU, die am Mittwoch präsentiert wurde. Für Österreich haben die Brüsseler Ökonomen dabei besonders schlechte Nachrichten parat. Denn innerhalb eines ohnehin schwachen Europas gehört das Land heuer noch einmal zu den Schlusslichtern.
So erwartet die Kommission für das heimische Bruttoinlandsprodukt heuer ein Schrumpfen um 0,5 Prozent. Das ist vor allem insofern bemerkenswert, da im Frühjahr noch ein Plus von 0,4 Prozent prognostiziert wurde. Wie von den heimischen Wirtschaftsforschern Anfang Oktober bereits festgestellt, hat sich die heimische Wirtschaft über den Sommer jedoch stark abgekühlt. EU-weit gibt es nur in Ungarn, Irland und Estland einen noch größeren Rückgang der Wirtschaftsleistung. Österreichs Nachbar und wichtigster Handelspartner Deutschland wird indes mit einem Minus von 0,3 Prozent etwas geringer schrumpfen.
Keine De-Industrialisierung
„Wir sind am Ende eines herausfordernden Jahres“, sagt EU-Kommissar Paolo Gentiloni. „Das Wachstum ist stärker zurückgegangen als erwartet.“ Grund dafür seien die nach wie vor hohe Inflation, die massiven Zinserhöhungen, um diese Teuerung in Griff zu bekommen, und die schwache globale Nachfrage. Allerdings zeigt sich die EU-Kommission optimistisch, dass es ab dem kommenden Jahr wieder bergauf gehen wird. So soll die ganze Union um 1,3 Prozent wachsen, Österreichs Wirtschaft immerhin um genau ein Prozent.
Die erwartete Besserung der Zahlen – 2025 soll das Wachstum europaweit wieder bei knapp zwei Prozent liegen – dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die zu geringe Wettbewerbsfähigkeit der EU weiterhin ein großes Thema bleibe, so Gentiloni zur „Presse“ im Anschluss zur Präsentation der Prognose. „2022 war das Wachstum in Europa sogar höher als in den USA, und auch die Zahlen für kommendes Jahr zeigen, dass wir wieder aufholen können. Viele unserer Nachteile, etwa die hohen Energiepreise, werden jedoch bleiben.“ Diese würden zwar nicht zu einer echten De-Industrialisierung führen, wie manchmal befürchtet werde. „Wir sollten das Problem auch nicht größer machen, als es ist“, so Gentiloni. Dennoch müsse Europa hier eine gemeinsame Antwort finden.