Brüsseler Behörde fürchtet „Rufschädigung“ wegen „weit verbreiteter Sorgen über die Verbreitung von Desinformation“.
Brüssel. Der praktisch unkontrollierte Anstieg von Desinformation und Fälschungen im Zusammenhang mit dem Nahostkrieg hat für die Nachrichtenplattform X nun finanzielle und politische Folgen. Die Europäische Kommission wird bis auf Weiteres keine Werbung mehr auf X platzieren, berichtet das Nachrichtenmagazin „Politico“ am Freitag. Sie zitiert ein diesbezügliches internes Schreiben der Generaldirektorin für Kommunikation in der Brüsseler Behörde, Dana Spinant, an sämtliche Dienststellen. Die Kommission „empfiehlt, vorübergehend und bis auf Weiteres Werbung auf dieser Plattform zu beenden, um Risiken der Schädigung es Rufes für die Kommission zu vermeiden.“ Vorerst werde die Kommission „alternative Plattformen (z.B. LinkedIn, Instagram, oder Facebook) oder digitale Werbung auf Websites in Betracht ziehen.“
Ein Sprecher der Kommission konnte auf Anfrage der „Presse“ nicht unmittelbar die jährlichen Werbeausgaben der Kommission auf X beziffern. Die Plattform, die früher Twitter hieß und Ende 2022 vom Silicon-Valley-Milliardär Elon Musk mit hohen Bankkrediten gekauft und von der New Yorker Börse genommen worden war, ist seit Anfang Oktober unter wachsendem Druck der Kommission, sich den neuen EU-Vorschriften für digitale Dienste, allen voran dem systematischen Kampf gegen Desinformation und Hassrede, zu unterwerfen.
Mit Werbung auf X kam die Kommission erst kürzlich wegen eines anderen Themas in die Bredouille. Im September schaltete sie auf der Plattform Inserate, deren Zielgruppe auf den religiösen und politischen Ansichten der User fußte. Unter anderem wurde Usern gezielt Kommissionswerbung vorgesetzt, die an Italiens rechtspopulistischer Ministerpräsidentin, Giorgia Meloni, oder der linksnationalistischen irischen Partei Sinn Féin interessiert sind. Dabei ging es um Werbung für einen umstrittenen Gesetzesvorschlag der Kommission, der Onlineplattformen dazu verpflichten würde, sämtliche Inhalte ihrer Nutzer auf Kindesmissbrauch zu prüfen.
Das wäre ein Verstoß gegen das Verbot des erwähnten EU-Gesetzes über digitale Dienste, keine sensiblen personenbezogenen Daten bei Online-Werbung zu verwenden. Spinant wies die Kommissionsstellen in ihrer internen Mail an, sich haargenau an die Vorgaben dieses Gesetzes zu halten.