Ein Anruf vom Notar – und die Geschwister finden sich in einem wüsten Erbstreit wieder. Warum zersplittert und zerstört der Nachlass so viele Familien? Was wurde so lang nicht ausgesprochen? Eine Spurensuche.
Kennengelernt haben sie einander 2005. Nur kurze Zeit zuvor war Lorenz’ Frau an der seltenen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit verstorben, er war am Boden zerstört. Die tiefe Trauer führte Lorenz zu der Sozialarbeiterin Paula Stein. Während der sogenannten Entlastungsgespräche fand Stein einen Draht zu Lorenz, so erzählt sie es heute: „Er war ein gebranntes Kind.“ Peu à peu erzählte der Witwer aus seiner Vergangenheit, er, das „schwarze Schaf“ der Familie, das zeitweise in die Pflege gegeben wurde. So begann eine Laufbahn zerrütteter Familienbeziehungen. Alles, was er später erreichte, habe sich Lorenz selbst aufgebaut, sagt Stein, „er hat trotz allem zu seinem Leben gefunden“. Eine Lehre war ihm nicht vergönnt, er heuerte in Wien als Arbeiter bei den Gaswerken an, bis zur Pension hatte er sich mit seiner Frau eine Eigentumswohnung geleistet. In ihren letzten gemeinsamen Lebensjahren verbrachte das Paar die Sommer in Kärnten und in der Steiermark. Sie liebten es dort. Das alles erzählte er Paula Stein.
Und mit der Zeit fanden Lorenz und Paula etwas, was in seinem Wert nicht messbar ist: Freundschaft. „Er ist zu einem Familienmitglied geworden“, sagt Stein, die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Lorenz wurde eine Art Ersatzgroßvater für ihren Sohn. Sie unternahmen viel gemeinsam, und ohne lang darüber nachzudenken, seien die drei plötzlich ein Team gewesen. So kam es dazu, dass Lorenz fast zehn Jahre vor seinem Tod vorschlug, Paula und ihren Sohn als Erben für die Eigentumswohnung einzusetzen. Von seiner ersten Ehe und den Kindern wusste Stein da noch nichts.