Die Ärztekammer versucht nichts anderes, als die Ärzteschaft vor dem Machtzugriff durch Politik und Kassenfunktionäre zu schützen.
Das jüngste „Quergeschrieben“ von Rosemarie Schwaiger verlangt nach ein paar Anmerkungen. Gesundheitsminister Johannes Rauch und den Genossen von der Österreichischen Gesundheitskasse ist es gelungen, der Ärztekammer „Angst vor Machtverlust“, „Kampf um Machterhalt“ und das „Blockieren von Reformen“ zu unterstellen, worauf auch so manche Journalistin hereinfällt, statt sich vorher etwa bei „Presse“-Experte Köksal Baltaci zu informieren oder seine Artikel zu lesen.
Es ist nicht nur das Recht, sondern die Pflicht der Ärztekammer, die Interessen der von ihr vertretenen Mediziner wahrzunehmen und damit die der Patientinnen und Patienten! Es geht nicht darum, die „Macht“ einer anonymen, mafiaartigen Organisation zu erhalten, sondern die Ärzteschaft vor dem maßlosen Machtzugriff durch Politik und Kassenfunktionäre zu schützen.
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Zunächst zum Vorwurf des Blockierens: In den über 40 Jahren meiner ärztlichen Tätigkeit hat die Ärztekammer unermüdlich vor Fehlentwicklungen im Gesundheitssystem gewarnt: vor drohendem Ärztemangel, insbesondere im Kassenbereich, vor Defiziten im Ausbildungssystem und vor der drohenden Verstaatlichung des Gesundheitssystems.
Warnungen bei Einführung der E-Card waren angesichts der zahllosen Pannen und des anfangs gewaltigen bürokratischen Mehraufwandes berechtigt; auf ärztliche Kritik, wie das Fehlen eines Fotos auf der Patientenkarte, wurde nach Jahren reagiert. Elga funktioniert bis heute nicht klaglos; die von Elga generierten, viele Seiten langen Arztbriefe sind kaum lesbar und werden daher im Alltagsstress einer ärztlichen Praxis oft auch nicht oder unvollständig gelesen.
Wollen wir wirklich, dass Politiker, die von der Materie keine Ahnung haben, und Kassenfunktionäre allein über Stellenpläne und ärztliche Versorgung entscheiden? Dass sie dazu unfähig sind, beweisen der eklatante Mangel an Kassenärzten und das Fehlen jedes sinnvollen Konzepts zu dessen Beseitigung! Die Ärztekammer hat vor diesem Zustand seit Jahren gewarnt und gut überlegte Konzepte vorgelegt, die nicht einmal diskutiert wurden. Dabei wäre es so einfach: Der Beruf des Kassenarztes muss nur attraktiver werden durch eine Anpassung der völlig veralteten Honorarordnung und eine Entlastung von sinnloser Bürokratie.
Der gefährlichste Punkt im Gesetzesentwurf von Minister Rauch ist aber folgender: Sollte bei Honorarverhandlungen zwischen GKK und Ärztekamme keine Einigung erzielt werden, wäre die ÖGKK berechtigt, mit den Vertragsärzten Einzelverträge zu schließen! Man stelle sich vor, die Regierung würde beim Scheitern der KV-Verhandlungen zwischen Unternehmern und Arbeitern in der Metallindustrie verfügen, dass in diesem Fall die Unternehmerseite mit jedem Arbeitnehmer Einzelverträge abschließen kann.
Der Vorwurf gegen die Ärztekammer geht ins Leere!
In der „Presse“ (vom 15. November 2023) behauptet auch Primar Dr. Karl Noe in einem Leserbrief, die Ärztekammer trüge die Hauptschuld an der Arbeitszeitregelung in den Krankenanstalten. Tatsächlich hat die gesetzliche Arbeitszeitregelung einer EU-Vorgabe Rechnung getragen! Die Ärztekammer hat damit nichts zu tun. Diese Regelung hat Vorteile (sie verhindert, dass Ärzte nach 60, 70 Wochenstunden Arbeit übermüdet schwierige Eingriffe durchführen), aber auch erhebliche Nachteile (Patienten sehen kaum jemals zweimal denselben Arzt, die Ausbildung ist extrem erschwert, der Stellenbedarf kann nicht mehr gedeckt werden). Nur: der Vorwurf an die Ärztekammer geht ins Leere.
Fazit: Minister Johannes Rauch darf den Kampf gegen die Ärztekammer nicht gewinnen!
Dr. Helmut Harlass ist Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe in Wörgl.
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