Rituale sind wichtig für die Pflege der Paarbeziehung.

Das Ritual des Paars am Valentinstag

Die Beziehungen im Leben wertzuschätzen schadet an keinem Tag des Jahres. Das gilt auch für die sich verändernden Beziehungsformen. Und der Valentinstag ist längst nicht mehr nur für Liebespaare da.

Man kann ihn lieben oder hassen, aber eines kann man nicht: ihn übersehen. Der Valentinstag steht ähnlich wie „Last Christmas“ wahlweise für große Gefühle oder flachen US-Kommerz. Wobei die Anhänger auch diesseits des Atlantiks mittlerweile in der Überzahl seien dürften, wie – genau! – die Zahlen des Kommerzes zeigen: Laut einer aktuellen Untersuchung des Handelsverbands Österreich planen zwei von drei Menschen in Österreich, ihre Liebsten an diesem Tag zu beschenken. Und das durchschnittlich um 71 Euro, was sich für den heimischen Handel auf hübsche 150 Millionen summiert. Ganz vorn stehen dabei Blumen, gefolgt von Süßigkeiten, Restaurantbesuchen, Gutscheinen und Erlebnissen.

Sie sind natürlich eine schöne Sache für den Beschenkten und den Handel, für die Liebe sind dagegen das mit dem Tag verbundene Ritual und das Feiern der Beziehung – nicht nur der romantischen – viel wichtiger. „Menschen brauchen Rituale, weil sie uns Orientierung und Sicherheit geben, und uns dabei helfen, Vertrauen zu entwickeln“, erklärt Julia Kosak, die sich in ihrer psychotherapeutischen Praxis unter anderem auf Paartherapien spezialisiert. Wobei es wichtig sei, Rituale nicht mit Routinen zu verwechseln: „Ein Ritual kann sein, mir selbst ein ganz besonders schönes Essen zu kochen. Das normale Zubereiten der Mahlzeiten ist dagegen Routine“, erklärt sie den Unterschied. Der möglicherweise manchen Menschen, deren Sekretärinnen den Blumenstrauß für die Gattin am 14. Februar als Serientermin im Kalender haben, nicht ganz klar ist.

Wertschätzung

Dabei kann gerade das Getöse rund um den Valentinstag durchaus hilfreich für jene Partner sein, die zwar guten Willens sind, die Beziehung zu pflegen, aber mit Daten so ihre Schwierigkeiten haben. Denn anders als den Jahres- oder Hochzeitstag lässt sich dieser eben nicht so leicht vergessen. „Das ist ja auch das Schöne am Valentinstag, dass wir fast nicht daran vorbeikommen“, sieht Psychologin Natalia Ölsböck durchaus auch positive Seiten des Hypes. „Denn selbst wenn wir den Tag ablehnen, ist er eine Erinnerung an die Beziehungen, die wir gerade in unserem Leben haben. Die man ja auch anders als durch Konsum wertschätzen kann, etwa durch liebevolle Gesten oder Worte.“

Was keineswegs nur auf romantische Liebesbeziehungen beschränkt ist, das zeigt sich auch in Österreich immer mehr. In anderen Ländern, wie etwa dem Mutterland USA, werden lang auch schon die besten Freunde beschenkt, hier gibt es die Begriffe Galentine’s und Palentine’s Day – nach „gal“ und „pal“ als Ausdrücke für die weiblichen und männlichen Freunde. „In Japan ist der Tag überhaupt der Wertschätzung Beziehungen gegenüber gewidmet, dort werden neben Freunden auch Verwandte, Kollegen und der Chef beschenkt, was auch für Singles eine gute Gelegenheit ist, sich anderen gegenüber auszudrücken“, berichtet Ölsböck. Für sie steht der Valentinstag seit einigen Jahren auch als ein liebevolles Ritual für ihre Schwiegermutter auf dem Kalender: „Da bringen mein Mann und ich ihr jene Blumen, die ihr inzwischen verstorbener Mann immer am Valentinstag für sie gekauft hat. Und nutzen den Tag dann auch, um gemeinsam an ihn zu denken.“

Dass sich der Kreis derjenigen, die am „Tag der Liebe“ bedacht werden, auch in Österreich ausweitet, zeigt die Untersuchung des Handelsverbands. Dort haben von den zwei Dritteln, die den Tag begehen, zwölf Prozent angegeben, ihrer Mama am Tag der Liebe eine Freude zu machen, sechs Prozent beschenken Freunde und Freundinnen und drei Prozent andere Verwandte.

Womit auch den immer komplexeren und diverseren Beziehungen, die wir heute leben, Rechnung getragen wird. Denn die Liebe zum Zelebrieren der Liebe ist in allen Konstellationen gleich, so die Psychologinnen. „Untersuchungen zeigen, dass es völlig egal ist, in welcher Beziehungsform wir leben. Die Bedeutung von traditionellen Stereotypen wie Weihnachten oder eben dem Valentinstag wird gerade wieder besonders wichtig – sowohl in heterosexuellen als auch gleichgeschlechtlichen Partnerschaften“, so Ölsböck. „Das Nachdenken über die Liebe ist zeitlos, aber auch immer ein Spiegel der Zeit“, schreiben auch die Autoren des just erschienenen Buches „Erzähl mir von der Liebe“ (Robert Ide, Joana Nietfeld und Helena Pinotek, Hanserblau-Verlag). In den wahren Kurzgeschichten kommen queere Partnerschaften in der Provinz ebenso vor wie die unerwiderte Liebe und die plötzliche Trennung.

Anders gelebt

Mit der größeren Vielfalt an lebbaren Beziehungsformen komme auch ein größerer Kommunikationsbedarf, betont Kosak. „Wir lieben zwar nicht anders, aber es wandelt sich, wie wir Beziehung leben. Partnerschaften unterliegen wie alles einem gesellschaftlichen Wandel; es gibt heute viel mehr Gleichberechtigung und Freiheit dabei, wie wir Beziehung führen. Vieles kann autonomer gestaltet werden, ohne Abhängigkeiten; heute möchte ich ein Team sein, mit jemandem wachsen, mich einlassen und dafür auch meine Komfortzone verlassen.“ Entsprechend wichtig sei es, darüber zu kommunizieren, wie man diesen Tag verbringen möchte, wie es für beide passend ist und welche Erwartungshaltungen auf beiden Seiten damit verbunden sind.

„Dabei geht es nicht darum, eine Bestellung aufzugeben, sondern darum, einen Weg zu finden, in sich hineinzuhören, wie es mir damit geht und welche Erwartungen ich habe“, erklärt sie. Denn einen Erwartungsdruck in einem Freundeskreis aufzubauen, in dem kein Wert auf diesen Tag gelegt wird, kann mächtig nach hinten losgehen.

Grundsätzlich sei Regelmäßigkeit ein wichtiger Faktor für Rituale, betont Kosak, und der Valentinstag kann zu einem Ritual eines Paars werden, ohne dass andere Anlässe darunter leiden. „Auch wenn es andere Rituale gibt, kann er einfach zu diesen mitaufgenommen werden, denn man feiert die Beziehung ja nicht nur an einem Tag im Jahr.“ Dass der Partner nicht ganz so groß in Sachen Rosen schenken und Tisch reservieren ist, heißt aber keinesfalls, dass man nicht geliebt wird. „Es gibt Menschen die Traditionen besonders mögen und sich freuen, wenn es mehr Tage sind. Anderen ist der Hochzeitstag genug, oder wenn die Familie wächst, rücken eher die Geburtstage der Kinder in den Fokus“, so Ölsböck. „Aber vielleicht führen sie den Valentinstag dann im gehobenen Alter wieder ein“, regt sie an. Dass der Valentinstag eher bei den Beziehungsstartern hoch im Kurs steht, zeigen ebenfalls die Zahlen der Handelskammer: Demnach überwiegen bei den Beschenkten die Unverheirateten. Ein Drittel der Befragten gibt an, ihren Partner oder ihre Partnerin zu beschenken, bei 23 Prozent ist es die Ehefrau oder der Ehemann.

Ganz unabhängig davon, ob man nun den Valentins-, den Jahrestag oder jenen Tag feiert, an dem man das erste Mal gemeinsam gekocht oder sich auf einem Konzert getroffen hat, ist es einfach wichtig, hin und wieder die eigene Beziehung zu feiern. „Das betont auch der Therapeut John Gottmann, der seit 50 Jahren daran forscht, was eine glückliche Partnerschaft ausmacht“, berichtet Ölsböck. Zu den wichtigsten Faktoren dabei zählt, dass man den Partner ­wertschätzt – „und solche Tage wie der Valentinstag sind einfach hilfreich dabei“.


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