Obst und Gemüse auf einem Wochenmarkt . *** Fruit and vegetables at a weekly market
Fokus auf
Folge 11

Der Chef in seinem Königreich

In dieser Folge von „Kronprinz und Co“ fährt unser Obstverkäufer mit seinem Chef zur Großmarkthalle in Inzersdorf. Aber warum reagieren die Arbeiter, die dort am Fließband stehen, so eigenartig?

Heute hatte der Chef Geburtstag, und dagegen ist keiner immun. Punkt zwölf wurde er unruhig und zeigte auf die Kisten: „Ich kann diese runzligen Äpfel nicht mehr sehen“, sagte er. „Wir fahren nach Inzersdorf und holen neue.“

Wir fuhren los, und der Chef befahl, zwei Bierdosen aufzumachen. Alkohol ist am Steuer verboten. Aber erstens war es Bier und zweitens hatte er Geburtstag.

„Was halten Sie eigentlich von mir?“, fragte der Chef plötzlich.

„Sie sind mein Chef. Was soll ich da sagen?“, zog ich mich aus der Affäre. Erstens fällt es mir schwer, einem Mann ein Kompliment zu machen. Und zweitens fiel mir wegen dem Bier, das ich getrunken hatte, nichts Intelligentes ein.

„Ich habe Geburtstag“, outete sich der Chef. „Da redet man mehr, als die Polizei erlaubt. Stört Sie das?“

„Es lässt sich aushalten.“

„An so einem Tag fragt man sich, was zählt“, machte der Chef weiter, während er überall hinschaute, nur nicht auf die Straße: „Eine ruhige Ehefrau, Kinder, die keine Drogen nehmen . . . Aber am meisten zählt ein eigenes Königreich.“

„So eine Art Palast mit Harem? Mit Türklinken aus Gold und Nektar zum Frühstück?“

„Nein. Das ist eine Loge in der Staatsoper.“ Er zeigte auf die Großmarkthallen, die vor uns auftauchten.  „Ich bin nicht gut im Erklären“, sagte er. „Im Zeigen bin ich besser.“

Wir parkten vor der ersten Halle und gingen hinein. Mir verschlug es den Atem, so riesig war das Ding. Alles war voll mit Arbeitern, die Obst und Gemüse sortierten. Sie hatten gelbe Latexhandschuhe an und steckten in sauberen Overalls. Aus dem Lautsprecher rieselte Musik, und es herrschte eine lockere Atmosphäre. Fast wie in einer Kneipe. 

 „Lustig hier,“ sagte ich.

„Schauen Sie genauer hin“, sagte er und zeigte auf ein langes Fließband. Erst jetzt fiel mir auf, dass die Arbeiter aufgereiht wie Perlen an einem dünnen Faden dort standen. Und egal wie sehr sie scherzten und plauderten, das Fließband zwang sie, die Bewegung ständig zu wiederholen.

„Ich stand auch einmal dort“, sagte der Chef. „Dann wurde mir klar, dass ich den ganzen Tag dieselbe Bewegung mache. Sogar wenn ich zu Hause war, machte ich weiter. Ich war ein Roboter mit Mindestgehalt. Ich kündigte und machte meinen Stand auf.“ Der Chef starrte wie hypnotisiert auf das Fließband. „Jetzt bin ich für diese Burschen der Kapitalist. Der Blutsauger“, murmelte er verbittert. „Der faule Hund, dem das Geld nur so zufliegt.“ 

Ein paar Arbeiter merkten, dass der Chef da war. Sie winkten ihm zu. Aber nicht freundlich, sondern als wollten sie sich über ihn lustig machen. Ein paar fingen an zu tuscheln. 

Der Chef sagte mit einem sauren Lächeln: „Genug geschaut. Wir holen die Ware und verschwinden.“

Eine halbe Stunde später waren wir schon wieder auf dem Rückweg. Als die Stadt vor uns auftauchte, hielt ich es nicht aus. „Chef?“, sagte ich.

„Was?“ – „Alles Gute zum Geburtstag.“

Fortsetzung folgt


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