Was ich lese

Ferry Radax: Filmemacher, geboren 1932 in Wien

Da die meisten Fernsehanstalten nur mehr für Analphabeten senden, bleibt mehr Zeit zum Lesen. Ich schlage daher aus der Bibliothek ein paar meiner wichtigsten Bücher vor, die ich immer wieder lese.

Vor jedem Griff in eine Bibliothek empfehle ich unbedingt, sich zu informieren bei: Wolfgang Koeppen: Die elenden Skribenten (Hrsg. von Marcel Reich-Ranicki, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main). Ein Kompendium von Literaturkritiken, geschrieben vor allem für die "Frankfurter Allgemeine", das man lesen soll, ehe man sich an einen Autor heranwagt!

Thomas Bernhard: In der Höhe (Residenz Verlag, Salzburg), posthum erschienen als sehr frühe Prosa, echt genial und sicher besser als sein letztes Opus, Auslöschung (Suhrkamp Verlag).

Immer brandaktuell für mich Peter Sloterdijk, der einzige zeitgenössische poetische Philosoph: Falls Europa erwacht. Zur Welt kommen, zur Sprache kommen (beide Suhrkamp Verlag) immer wieder neu, mehrmals lesen!

Bruce Chatwin: Der Vizekönig von Ouidah (Hanser Verlag, München), später von Werner Herzog katastrophal verfilmt, war der noch stärkere Eindruck als das grandiose Buch In Patagonien (Rowohlt Verlag, Reinbek).

Anthony Burgess: Rom im Regen hätte ich gerne verfilmt (bei welcher Anstalt?), eine dunkle, leidenschaftliche Geschichte, wenn man Rom gut kennt. Und wer nicht Der Mann am Klavier (beide (Klett-Cotta Verlag, Stuttgart) kennt, lange vor Elfriede Jelineks "Klavierspielerin" erschienen, mag ja auch mit deren Verfilmung zufrieden gewesen sein.

Jonathan Cott schrieb seine Telefongespräche mit Glenn Gould (Alexander Verlag, Berlin) nieder, welcher leider schon 1984, mit 52 Jahren, verstummen musste (und so gut war!). Ebenso gut (im Ansatz) war Konrad Bayer, der schon 1964, mit nur 32 Jahren, zu Apollon aufgestiegen ist, weil er das geniale Frühwerk Der Sechste Sinn (Deuticke Verlag, Wien) zu schreiben gewagt hatte.

Apropos Götter - alles über sie und noch mehr in Sieben Weltwunder, drei Furien und 64 Fragen, auf die Sie keine Antwort wissen (Piper Verlag, München), empfohlen als Erinnerung an die humanistische Schulbildung. Nur für jene, die wirklich mehr wissen wollen.

Zum Abschluss ein ernst und gründlich durchdachtes Werk von Peter Kampits über seinen Leibphilosophen Jean-Paul Sartre (C. H. Beck Verlag, München). Für alle Achtundsechziger und solche, die es immer noch sind, ein Must.

Sogenannte moderne österreichische Belletristik lege ich meist bereits in der Buchhandlung aus der Hand. Am Büchermarkt erscheinen viel zu viele sogenannte Romane von Prestigeautoren, die man oft als vermeintlichen Bildungsnachweis neben dem Eingang auf dem Garderobetisch liegen sieht.

Am liebsten sind mir heute Taschenbücher um 5,80 bis höchstens zehn Euro. Ich lese eben 80 Seiten von Sloterdijk lieber dreimal als 280 Seiten überflüssigen Geschwafels. Obwohl gerade Sloterdijk mit seinem fantastischen Roman Der Zauberbaum (Suhrkamp Verlag) bewiesen hat, dass er auch als Poet mehr zu sagen hätte, als die meisten sogenannten Schriftsteller uns vormachen wollen.

Und da fällt mir doch gleich noch ein fast ebenso starkes Buch ein - von Cees Nooteboom: Die folgende Geschichte, sein erster und vielleicht bester Roman. Da fällt mir eine noch "spanischere" Geschichte ein, Juan José Millás: Dein verwirrender Name (beide Suhrkamp Verlag). Wollte auch keine Fernsehanstalt (!) verfilmen, sonst würde man die Seher (ohne Visionen) ja nur verwirren.

Jetzt muss ich aber Schluss machen, mich ruft die Malerei zurück an die Staffelei, weg von meinen Büchern, dem einzigen wirklich Schatz, den ich besitze. Und so viele Buchstaben im Kopf, um damit letztlich nur tausende Würmer zu füttern? Nein, meine Freunde, man lebt, solange man liest, nicht, solange man isst. [*]

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