Großunternehmen werden wie kleine Familienfirmen geführt, westliche Moral faßt nur langsam Fuß, meint Professor Wladimir Kwint.
WIEN. Gute Managementsysteme seien eines der größten Probleme der postkommunistischen Staaten und eines der bedeutendsten Hindernisse für die Osterweiterung der EU. Das erklärt Wladimir L. Kwint, Professor für Management Systems und International Business an der Fordham University in New York im Gespräch mit der "Presse".
Der erste Grund für diese Schwierigkeiten sei, daß in den Emerging Markets (inklusive Balkan und Ostmitteleuropa) Eigeninitiativen früher oft strafbar waren, die freiwillige Übernahme von Verantwortung war selten. Die Entscheidungsfindung sei deshalb auch heute noch langsam und werde meist der Chefetage oder den ausländischen Investoren überlassen.
Als zweites Problem gilt seiner Ansicht nach der Mangel an demokratischer Tradition. "Die Leute verstehen nicht, daß sie ihren Job nun nicht mehr für immer haben und ihn auch verlieren können", sagt Kwint. Die Führungskräfte würden deshalb die Zeit nutzen und versuchen, sich durch Korruption und Vetternwirtschaft rasch zu bereichern. Auch wenn sie im Westen studieren, kämen sie auf solche schlechte Gedanken, so Kwint.
Die im Westen ausgebildeten Ost-Manager sprächen laut Kwint, der aus Rußland stammt, nur über die makroökonomische und finanzielle Stabilität, die jedoch kein gutes Leben für die Bevölkerung sichere. "Man kann die Wirtschaft nicht stabilisieren, wenn die Leute nicht überleben und ihre Familien nicht ernähren können. Die oberste Priorität hat der Kampf gegen die Armut, die Schaffung neuer Jobs, um die Arbeitslosigkeit und die Emigration zu bekämpfen."
Mentalitäten ändern
Wenn die Regierung kein Geld habe, müsse sie Restriktionen beseitigen und wirtschaftliche Liberalisierung einführen. Alles was nicht verboten sei, müsse erlaubt sein, sagt Kwint. In den Emerging Markets, besonders am Balkan, gebe es zu viele Regulierungen und Restriktionen, für jede zivile Aktivität braucht man Lizenzen.
Es sei nicht leicht, die Lage zu ändern, meint der Professor. Es helfe nicht, Leute im Westen studieren zu lassen. Man müsse die Mentalität der Menschen ändern, und das sei sehr schwierig. "Ein großes Problem ist die Tatsache, daß viele alte Firmen eine sehr schlechte Organisationsstruktur behalten haben, eine Hierarchie mit zu vielen Positionen, die man kaum abbauen kann." Außerdem sei Motivation oft ein Fremdwort. In den meisten Firmen am Balkan gebe es keine Abteilung für menschliche Ressourcen, sondern wie in den kommunistischen Zeiten die "Abteilung für Kader".
In Südosteuropa fehle es zudem an Führungskräften. "In Albanien gibt es beispielsweise eine riesige Baufirma und eine Versicherung, wobei der Boß nicht einmal eine Sekretärin hat. Er weiß nicht, wie man die Arbeit delegiert, und macht alles allein", sagt Kwint. "Die Leute kennen am Balkan meist noch kein Managementsystem." So würden große Unternehmen wie kleine Familienfirmen geführt.
Allgemein gebe es zu viele postkommunistische Bosse. "Manche nützen ihre Kenntnisse, um ihre Taschen mit Geld vollzustopfen und ihre Verwandten durch Privatisierung reich zu machen", sagt Kwint. Den Bürokraten, die Firmen privatisieren, ist es egal, wie teuer sie das Unternehmen verkaufen. Wichtig ist ihnen nur, wieviel für sie unter dem Tisch abgezweigt wird.
Die Lage auf dem Managementsektor bessere sich am Balkan nur langsam, die westliche Moral setze sich zögernd durch, ist Kwint überzeugt. In Ostmitteleuropa - besonders in Tschechien, Ungarn und Estland - sei die Lage aufgrund der weniger starken Einflüsse aus dem byzantinischen und ottomanischen Reich unvergleichlich besser. Als "Erfolgsstory" des Balkans bezeichnet Kwint aber Kroatien und Slowenien.