Mäzene heute, oder: Noblesse oblige

Aristokratisches Kunst-Networking: Das Wiener Liechtenstein Museum wird mit fünf weiteren Adels-Sammlungen kooperieren.

WIEN. Ja, die Gräfin Stephanie Harrach kennt er seit klein auf, mit den Schönborns ist man seit Generationen befreundet, von den Esterházys gar nicht zu reden - Fürst Hans Adam II. von und zu Liechtenstein, schwelgte am Freitag im Herkules-Saal des ehemaligen Wiener Gartenpalais seines Geschlechts in Erinnerungen. Monarchistische Nostalgie? Ein wenig, wenn man das gerade präsentierte Konzept für das "Liechtenstein Museum" betrachtet, das am 28. März 2004 hier im neunten Bezirk eröffnet wird.

In perfekt aristokratischem "Networking" hat der Fürst gemeinsam mit seinem Sammlungs-Leiter Johann Kräftner eine überraschende Expansion des Museums ausgetüftelt: Fünf weitere Adels-Sammlungen konnten zu einer Kooperation gewonnen werden. Der Fundus an Gemälden und Objekten sei so zu einem "gewaltigen" angewachsen, freute sich Kräftner. Neben den etwa 1500 Gemälden der Fürstlichen Sammlungen stehen noch die Bestände der Harrach'schen Familiensammlung, der Sammlung Schönborn-Buchheim und der Esterházy Privatstiftung für gemeinsame Ausstellungen (ab 2006) sowie auch für den internationalen Leihverkehr zur Verfügung.

Weiters konnten als Partner gewonnen werden: die Residenzgalerie Salzburg, deren Schwerpunkt die Sammlung Czernin bestreitet, sowie die Gemäldegalerie der Wiener Akademie der bildenden Künste, der 1822 die Gemäldesammlung der Grafen Lamberg überlassen wurde.

Eine nicht unwesentliche Gewichtszunahme des Liechtenstein Museums im internationalen Ausstellungsmarkt. Die Kooperation soll in Zukunft unter dem Titel "Private Art Collections" beworben werden - "aggressiv", wie Direktor Kräftner betont. Schließlich will der Architekt, der sich früher als Ausstellungsgestalter u. a. für das Kunsthistorische Museum verdient gemacht hat, 300.000 Besucher in das seit September 2001 um 20 Millionen Euro generalsanierte Barock-Palais lotsen. Ein Ansturm, von dem das Museum Moderner Kunst Sammlung Ludwig, das vor seinem Umzug ins Museumsquartier 2001 hier angesiedelt war, nur träumen konnte. Und Johann Kräftner weiß auch, dass er, um sein Ziel zu erreichen, Sensationen liefern muss.

Die Aufmerksamkeit und den Neid seiner Konkurrenten schürt Kräftner jedenfalls schon lang vor der Eröffnung mit spektakulären Entdeckungen (Rottmayr-Fresken in den Stiegenhäusern des Palais), Neuerwerbungen (Frans Hals) und seinem enormen Ankaufsbudget, das zwar von Jahr zu Jahr schwankt, zur Zeit aber um die 15 Millionen Euro betragen soll. Die Kosten trägt zur Gänze die Familie Liechtenstein.

Die jüngste Errungenschaft - "die wohl wichtigste der letzten Jahrzehnte" - präsentierte Kräftner am Freitag noch in einer zwei Mal drei Meter großen Kiste verpackt im Saal, der Rubens' Decius-Mus-Zyklus gewidmet ist. Das Geheimnis soll erst im Dezember enthüllt werden. Ein weiterer Rubens vielleicht? Wenig scheint dem Fürsten zu teuer, um die 1938 von Wien nach Vaduz übersiedelte Kunstsammlung wieder an ihrem ursprünglichen Ort zu etablieren.

Seit 1807 war die Liechtenstein'sche Sammlung, gegründet von Karl I. von Liechtenstein (1569 - 1627), im Wiener Gartenpalais der Familie öffentlich zugänglich. Neben der kaiserlichen Gemäldesammlung, die im Kunsthistorischen Museum wie in der Österreichischen Galerie aufging, zählten die privaten Adelssammlungen einst zu Wiens Hauptattraktionen, wie in historischen Reiseführern nachzulesen ist.

Etwa 200 Werke, darunter auch Skulpturen und Kunstobjekte, werden ab nächstem Jahr wieder im Wiener Palais auf zwei Geschossen (2300 Quadratmetern) Platz finden. Die restlichen 85 Prozent der Sammlung bleiben zum Großteil in Depots in Vaduz. Von der Frührenaissance bis zur Romantik reicht die kunsthistorische Spannweite der Bestände. Und dieses Profil scheint auch in nächster Zeit nicht in Richtung Gegenwart aufgebrochen zu werden, wie Fürst Hans-Adam ziemlich bestimmt verkündete: "Für mich ist die Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts das Spiegelbild einer Zeit von Krieg, Menschenverachtung und Massenvernichtung. Ich habe zu dieser Kunst keinen Zugang."

Einen ersten Zugang zu seinem Museum gestattet der Fürst in der "Langen Nacht der Museen" am Samstag, dem 20. September. Für sieben Stunden, von 18 Uhr bis 1 Uhr Früh, ist geöffnet, sozusagen eine Generalprobe für Sicherheitssysteme und Besucher-Tauglichkeit. Über 20 Meisterwerke, darunter jeweils zwei Leihgaben der neuen Kooperationspartner, konnten für diese Nacht als Kostprobe auf die kräftig gefärbten Wände gehängt werden. Rundherum ein ziemliches Spektakel, das auf Leinwand in den Vorhof des Palais übertragen wird: Um 20 Uhr 30 steht ein Konzert von Jordi Savall am Programm, um 23 Uhr ein "BaRock"-Clubbing.

Währenddessen begibt sich der "Goldene Wagen" der Familie Liechtenstein von der Wagenburg in Schönbrunn, wo sie bisher vom Kunsthistorischen Museum betreut wurde, über den Heldenplatz Richtung Liechtenstein Museum. Im Atrium wird die barocke Prunkkutsche eine neue Heimat finden. Und hinter ihr schließen sich die Tore wieder für die nächsten fünf Monate.

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