Nur nicht anecken

DIE "PRESSE"-MEINUNG

Mut zur kritischen Distanz war selten noch eine Kategorie der österreichischen Diplomatie. Vorherrschend ist - in bester touristischer Tradition - vielmehr eine Tendenz zur anbiedernden Umarmung. Man weiß halt, was sich gehört, wenn man Gäste hat oder selbst im Ausland weilt. Wie unappetitlich das Regime auch sein mag, mit dem man zu tun hat: Den meisten österreichischen Politikern fiele es nicht einmal im Traum ein, durch kritische Äußerungen anzuecken.

Insofern ist Verteidigungsminister Herbert Scheibner bei seinem jüngsten Besuch im Iran ganz und gar nicht aus dem Rahmen gefallen. Da wettert man eben gegen Israel und die USA, verliert aber kein einziges Wort über Menschenrechtsverletzungen im Iran. Und um besonders freundliche Nasenlöcher zu machen, legte Scheibner auch noch einen Kranz am Grabmal von Ayatollah Khomeini nieder. Er ehrte also im Namen Österreichs jenen Mann, der das Fundament eines repressiven, theokratischen Systems gelegt hat. Kann den Chancen österreichischer Unternehmen nicht schaden, mag sich Scheibner gedacht haben.

Daß Scheibner der FPÖ angehört, hat mit seinem Verhalten in Teheran nichts zu tun. Bundespräsident Thomas Klestil und Außenministerin Ferrero-Waldner haben schon vor ihm ähnlich kritiklos um die Gunst der Mullahs gebuhlt. Und die SPÖ agiert auch nicht anders, sofern sie an der Macht ist - wie man bei Besuchen in Osteuropa vor dem Fall des Eisernen Vorhangs erfahren mußte. Wenn es in Österreich so etwas wie einen parteiübergreifenden Konsens gibt, dann liegt er im Bedürfnis, von aller Welt geliebt zu werden.


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