Die Partei des stillen Professors ging im Kanzlerduell unter

Die Grünen blieben bei der Wahl unter der magischen Zehn-Prozent-Marke und damit wieder einmal hinter den Erwartungen zurück.

WIEN. Alexander Van der Bellen lächelte gequält, als er am späten Nachmittag in die Wahlzentrale der Grünen eilte. Das lag wohl nicht nur an den starken Zahnschmerzen, die ihn auf den letzten Metern des Wahlkampf-Endspurts aus dem Rennen geworfen hatten. Der grüne Professor hatte an diesem Sonntag auch an etwas anderem zu beißen: am enttäuschenden Abschneiden seiner Partei.

Wieder einmal blieben die Grünen an den Urnen weit hinter den Umfragen zurück. Sie erreichten zwar ihr bisher bestes Ergebnis bei einer Nationalratswahl. Ihr Ziel, ein Resultat deutlich über der Zehn-Prozent-Marke zu erzielen, haben sie jedoch weit verfehlt.

So gut die Aussichten zu Beginn des Wahlkampfes waren: Letztlich wurde die Öko-Partei zwischen den wiedererstarkten Großparteien zerrieben. Die Hiobsbotschaften aus dem rot-grünen Deutschland taten ihr Übriges, um die grünen Träume an der Donau zu zerstören. Dabei hatte es schon wie ein schlechtes Omen gewirkt, als Van der Bellen wegen seiner Zahnschmerzen in der Endphase des Wahlkampfs ausfiel. Er ertrug es mit Fassung. In einem Radio-Spot hatten die Grünen das Beste daraus gemacht: Er bleibe im Bett, meinte Van der Bellen mit leichter Ironie via Äther.

Auch die Niederlage erträgt der Professor mit Fassung, wie schon so vieles: endlose Sitzungen, basisdemokratische Auseinandersetzungen, harte Attacken der politische Gegner und eben jene TV-Auftritte, die Van der Bellen immer haßte. Seine politischen Berater verzweifelten in schöner Regelmäßigkeit an der Halsstarrigkeit ihres Chefs. Style-Tips in puncto Kleidung oder Ratschläge für rhetorische Tricks oder Attacken ließ sich Van der Bellen nie geben. Nur auf die Zigarette verzichtete er im Fernsehen, und das war hart genug. Van der Bellen kultivierte seine an die Schrulligkeit grenzenden, altmodischen TV-Auftritte, in denen er scheinbar endlos Für und Wider überlegte, eher er mit langen Pausen launig antwortet.

Authentisch wolle er sein, antwortete er auf die Frage, warum er den politischen Gegner nicht attackiert, sondern ihm mit geneigtem Kopf zuhört. Vielleicht hat der Professor diesmal zuviel zugehört. Denn neben Schüssel und Gusenbauer blieb ihm im Kanzlerduell nur noch die Rolle des stillen Beobachters.

Für den Weichspül-Kurs mit Van der Bellen nahm die einst so aufmüpfige Basis der Grünen auch vieles in Kauf. Er modernisierte die Partei, ließ das Parteiprogramm gnadenlos von alten harten Grün-Forderungen ausräumen und drängte parteiintern die Fundamentalisten in den Hintergrund zurück. In die erste Reihe holte sich der Professor der Wirtschaftsgeschichte, der erst sehr spät zu den Grünen gekommen war, andere Realpolitiker wie Eva Glawischnig als seine Stellvertreterin. Die Partei ließ sich's gefallen - sogar, daß Van der Bellen und Glawischnig offen Ministerposten in einem rot-grünen Kabinett forderten.

Vermutlich weil Van der Bellen die internen Streitereien, die die Grünen seit ihrer Gründung immer wieder plagten, schlichten konnte wie keiner vor ihm. Vielleicht weil er wie keiner vor ihm bei den Grünen in der Bevölkerung respektiert war. Dafür wählen sie ihn bei den Parteitagen, dafür folgen sie ihm, lieben müssen sie ihn ja nicht.
Denn ganz geheuer ist es der Basis natürlich nicht, wenn ihr Programm in vielen Punkten von jenem anderer Parteien auf den ersten Blick kaum mehr unterscheidbar ist. Forderungen nach Freigabe für weiche Drogen, nach einer radikalen Ökologisierung des Steuersystems mit hohen Benzinpreisen oder die völlige Abschaffung des Bundesheeres wurden für eine mögliche Regierungsbeteiligung diskret zu den Akten gelegt.

Modernität statt Müsli

Auch personell oder in der Kommunikation hat keine andere Partei eine so große Wandlung durchgemacht wie die Grünen: Von der Amateur-Truppe aus Pullover strickenden und Müsli-verzehrenden Umweltaktivisten, die 1984 in Hainburg campiert hatte, bis zur heutigen Partei, für die junge Frauen wie Glawischnig im eleganten Hosenanzug im TV und von Plakaten selbstbewußt lächeln. Es sind neben Van der Bellen auch Frauen wie Partei-Vize Eva Glawischnig, die für eine neue strategische Ausrichtung stehen: im urban-bürgerlichen Lager Stimmen holen. Gereicht hat es auch diesmal nicht.

Doch Pragmatik wird bei den Grünen auch in Zukunft die zentrale Disziplin sein: Egal ob sich Van der Bellen in Zukunft wieder an die Universität zurückzieht und Eva Glawischnig übernimmt, für Stimmen-Maximierung gibt man sich zahm. Noch ist die grüne Gründungsmutter Freda Meissner-Blau zufrieden. Ob die Basis ruhig bleibt, wird sich zeigen.


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