Unterm Strich weniger Geld

KOLLEKTIVVERTRAGSWECHSEL. Für Arbeitnehmer meist kein Grund zum Jubeln.

WIEN. In letzter Zeit häufen sich Meldungen über Kollektivvertragswechsel von Unternehmen und damit verbundene Arbeitskonflikte. Die Aufregung ist meist nicht unbegründet, in vielen Fällen führt das nämlich zu Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen.

Dass solche Eingriffe in bestehende Dienstverhältnisse überhaupt möglich sind, liegt daran, dass Kollektivverträge ähnlich wie ein Gesetz wirken – auch ohne Zustimmung der Betroffenen. Welcher Kollektivvertrag gilt, hängt von der Kammerzugehörigkeit des Unternehmens ab. Diese ergibt sich zwar meist aus gewerberechtlichen Vorschriften, in Grenzbereichen bleibt dem Unternehmer aber oft die Wahl. „Der Arbeitgeber hat hier eine einseitige Gestaltungsmöglichkeit“, sagt Rechtsanwalt Bernhard Hainz, Senior-Partner bei CMS Reich-Rohrwig Hainz. So ist der Übergang zwischen industrieller und gewerblicher Produktion oft fließend, und so manches Unternehmen, das sich aus Imagegründen als Industriebetrieb deklariert hat, kehrt später in den gewerblichen Bereich zurück.

Bei Unternehmen mit mehreren Gewerbeberechtigungen richtet sich der Kollektivvertrag nach der überwiegenden Tätigkeit, bei organisatorischer Trennung der Bereiche können aber auch verschiedene Tarife angewendet werden (zum Beispiel Produktionsbetrieb und Verkaufsfilialen). In Grenzfällen bleibt dem Arbeitgeber auch hier ein Gestaltungsspielraum.

AVRAG: Grundlohn bleibt gleich

Besonders häufig ergeben sich Änderungen des Kollektivvertrags durch Ausgliederungen, Fusionen oder Übernahmen von Betrieben oder Betriebsteilen. Der Lichtblick für die betroffenen Arbeitnehmer: Laut Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) darf durch einen Tarifwechsel infolge Betriebsübergangs das kollektivvertragliche Mindestentgelt nicht geschmälert werden. Hainz geht davon aus, dass diese Bestimmung auch in anderen Fällen des Kollektivvertragswechsels analog anzuwenden sei. Die „Bank Austria-Entscheidung“ – die den Wechsel des Geldinstituts vom Sparkassen- in den Bankenverband betraf – weise in diese Richtung.

Aber auch im Geltungsbereich des AVRAG – und selbst bei im Dienstvertrag vereinbarten Überzahlungen, die an sich unverändert bleiben – kann ein Kollektivvertragswechsel unterm Strich weniger Geld bedeuten. Abgesichert ist nämlich nur der Grundlohn in der Normalarbeitszeit. Darüber hinausgehende kollektivvertragliche Leistungen – wie Überstundenabgeltung, Zuschläge, Jubiläumsgeld – können sich trotzdem verschlechtern, ebenso die Valorisierung und andere Regelungen, etwa die Arbeitszeit. Kommt es durch den Betriebsübergang zu einer wesentlichen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, hat der Arbeitnehmer innerhalb eines Monats ein begünstigtes Kündigungsrecht. „Er hat dann dieselben Ansprüche wie bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber“, so Rechtsanwalt Thomas Angermair, Partner bei Dorda Brugger Jordis.

Noch weiter gehen die Rechte von Arbeitnehmern, für die ein kollektivvertraglicher Bestandsschutz (Kündigungsschutz) gilt, etwa nach Banken-Kollektivvertrag. Wird dieser vom Erwerber nicht übernommen, kann der Dienstnehmer dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprechen. Er bleibt dann bei seinem bisherigen Arbeitgeber (der ihn höchstens aus betrieblichen Gründen kündigen kann, wenn er ihn nicht in dem Teil des Unternehmens, den er nicht verkauft hat, unterbringen kann). Dasselbe gilt bei Nichtübernahme einer betrieblichen Pensionszusage. „Für den Veräußerer eines Betriebes ist es daher wichtig, dass sich der Erwerber vertraglich zur Übernahme solcher Regelungen verpflichtet“, so Angermair. Am besten samt Schad- und Klagloshaltung.

Wichtig für Arbeitnehmer: Kündigungen, die der Dienstgeber aus Anlass eines Betriebsübergangs ausspricht, sind nichtig, man darf sich aber laut Judikatur mit der Geltendmachung der Nichtigkeit nicht endlos Zeit lassen. Innerhalb von sechs bis neun Monaten sollte man jedenfalls reagieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2007)


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