Die 27 Mitgliedsländer denken über das erste gemeinsame Geschichtsbuch der EU nach. Österreichs Lehrer stehen dem Projekt gespalten gegenüber.
Wien. Gut Ding braucht offenbar Weile: Gerade rechtzeitig zum 50. Geburtstag der Europäischen Union beginnen die 27 Mitglieder, über ein gemeinsames Geschichtsbuch nachzudenken. Eingebracht hat den Vorschlag die deutsche Ratspräsidentschaft. Doch nicht nur einige EU-Staaten stehen dem Projekt skeptisch gegenüber. Auch Österreichs Pädagogen schwanken zwischen Ablehnung und Unterstützung, wie ein Rundruf der „Presse“ ergab.
„Vor dem Hintergrund großräumiger Migration wäre so etwas durchaus einen Versuch wert“, meint etwa die Direktorin Eva L.. „Ich unterstütze die Idee eines EU-Geschichtsbuchs. Aber es muss didaktisch gut aufbereitet sein“, sagt auch der Lehrer Wolfgang B..
Sein Kollege Werner K. hingegen sieht in dem Projekt keinen Bestseller, sondern „einen Topfen“. Sein Argument: Die Historiker würden sich wohl nie auf einen gemeinsamen Text einigen.
Genau das ist aber bereits gelungen – und zwar in Deutschland und Frankreich, den beiden wichtigsten Gründungsmitgliedern der EU. In den Jahrhunderten vor 1957 hatten Berlin und Paris allerdings vor allem durch Kriege miteinander kommuniziert.
Vorläufer beiderseits des Rheins
Das Buch „Europa und die Welt seit 1945“ wird seit diesem Schuljahr auf beiden Seiten des Rheins in der letzten Oberstufenklasse, also der 11. bis 13. Klasse, eingesetzt. Es ist im föderalen deutschen Bildungssystem das einzige bundesweit zugelassene Schulbuch. Zwei Folgebände sollen noch erscheinen. Auch Serbien und Kroatien haben vor kurzem ein gemeinsames Geschichtsbuch herausgebracht.
Als Vorarbeit für das EU-Geschichtsbuch könnte ein internationales Forschungsprojekt dienen, das derzeit an der Uni Salzburg, in Deutschland und in Polen läuft. Historiker untersuchen dabei die Darstellung der EU-Geschichte sowie der europäischen Integration in den Geschichtsbüchern der Unterstufe. Ziel des Projektes mit dem Titel „Inventing the EU“ („Die EU erfinden“) ist es, einen Leitfaden für den Umgang mit der Geschichte der EU seit dem Zweiten Weltkrieg in der Schulpraxis zu gestalten.
Österreichs Schüler dürften der Idee jedenfalls wohler gesonnen sein als ihre Lehrer. In Umfragen bezeugen sie nicht nur großes Interesse an EU-Fragen, sondern geben sich auch pro-EU. Die Lehrer hingegen gelten als als eher EU-kritische Berufsgruppe. Dem Erfolg des Gemeinsamen Geschichtsbuchs dürfte das nicht unbedingt zuträglich sein.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2007)