Der neue Ärzte-Präsident Walter Dorner fordert Beitrags-Erhöhungen für die Kassen ein.
Die Presse: Sie wurden einstimmig zum Ärztekammerpräsidenten gewählt. Ein Symbol?
Walter Dorner: Wenn der Wind rauer wird, müssen wir enger zueinander stehen.
Sie lehnen eine Staatsmedizin ab. Was verstehen Sie darunter?
Dorner: Der Großteil der Medizin beruht – noch – auf freien Berufen, in der Selbstverwaltung und bei den Ärzten. So soll es bleiben.
Sie halten also nichts von der Idee der Wiener ÖVP-Gesundheitssprecherin Korosec, die eine Zentralisierung des Gesundheitssystems fordert?
Dorner: Frau Korosec ist kein Maßstab. Nur weil sie eine politische Partei zur Gesundheitssprecherin gemacht hat, muss sie noch lange nichts von der Sache verstehen.
Was spricht gegen ihren Vorschlag?
Dorner: Das wäre der absolute Einfluss der Politik, wo einmal schwarzes Blut aus den Adern rinnt und dann rotes. Das kann's nicht sein. So haben sich das die Väter der Sozialversicherung nicht gedacht.
Es gibt ja de facto eine Zwei-Klassen-Medizin...
Dorner: Das lasse ich nicht gelten. In Österreich wird jemand, der unter der Brücke schläft, genauso versorgt wie jemand, der im Damastbett schläft. Und wenn jemand Erspartes für die Gesundheit zusätzlich ausgeben will, dann ist das seine Privatsache. Die Privatsphäre sollte man endlich in Ruhe lassen.
Es zählt doch nicht zur Privatsphäre, wenn einer Monate auf eine Operation wartet und der andere gleich drankommt.
Dorner: Es gibt keine Akutoperation, auf die jemand warten muss. Das darf man dem System und den Ärzten nicht unterschieben. Eine andere Sache ist es, dass geplante Operationen vielleicht unterschiedlich lange dauern. Wartezeiten auf Termine liegen im Bereich von Angebot und Nachfrage – wie Autoreparaturen auch.
Im Gesundheitssystem geht es immer ums Geld. Es stecken ja auch gigantische Summen im System.
Dorner: Es werden aber noch mehr Summen für Spielereien ausgegeben. Wenn man die gleich ins Gesundheitssystem gibt, könnte man sich sicher mehr leisten.
Was meinen Sie konkret?
Dorner: Die elektronische Gesundheitsakte, die Elga. Die kostet uns Unsummen. Dass das Einsparungen bringt, sind doch Märchen.
Warum sind die elektronischen Systeme für die Ärzte so ein rotes Tuch?
Dorner: Sind sie nicht. In Spitälern funktioniert die elektronische Speicherung schon lange. Ich wehre mich aber dagegen, dass das ein Gesetz allen oktroyiert. Wenn das so ein tolles System wäre, würden sich ja alle drum reißen und sollen es sich aussuchen. Ist es super, wird's ein Erfolg. Und wenn nicht, dann haben wir die Eurofighter im Gesundheitswesen.
Sie wollen ein Foto auf der E-Card. Was soll das bringen?
Dorner: Heute muss überall ein Foto drauf, auf Jahresnetzkarte, Personalausweis, Führerschein – nur bei der E-Card nicht. Ich weiß nicht, wo der Patient wohnt, wo er arbeitet, wie er aussieht.
Ein Foto würde Ihnen reichen?
Dorner: Die Patientenverfügung und die Notfallsdaten sollten auch hinten drauf. Damit wäre der Hauptverband sinnvoll beschäftigt – und nicht mit der Elga, diesem elektronischen Spitzelsystem.
Das Gesundheitssystem ist ein großer Wirtschaftsfaktor, es ist viel Geld im System. Deshalb wird auch gern über Einsparungen diskutiert.
Dorner: Wo ist viel Geld im System?
Das Gesundheitssystem macht immerhin 9,6 Prozent des BIP aus.
Dorner: Das ist viel? Amerika gibt 14 Prozent des BIP aus, Deutschland 12, die Schweiz 13.
Die Ärzte wollen nicht die Sparmeister sein. Wer soll es dann sein?
Dorner: Es werden jedes Jahr neue Scherze erfunden, um uns Ärzten das Leben finanziell zu erschweren. Ich sehe das nicht mehr ein. Wenn man einmal die Sozialversicherungen durchleuchtet, könnte man sicher einiges einsparen. Aber das ist Sache der Politiker.
Laut Regierungsprogramm sollten den Kassen 0,15 Prozent Beitragserhöhung zukommen. Die Wirtschaftskammer sieht den Bedarf aber nicht mehr gegeben. Sehen Sie ihn?
Dorner: Das ist eine ganz, ganz faule Ausrede der Wirtschaftskammer. Damit will man die Selbstverwaltung liquideren. Damit liquidere ich aber auch die soziale Marktwirtschaft und den Solidargedanken. Soweit darf's in Österreich nicht kommen.
ZUR PERSON: Der neue Ärztekammerpräsident
Walter Dorner wurde am Freitag zum neuen Präsidenten der österreichischen Ärztekammer gewählt. Der 65-Jährige ist in der Standesvertretung seit 1981 aktiv, seit 1999 Wiener Ärztekammerpräsident. Seine Ausbildung zum Chirurgen absolvierte er im Göttlichen Heiland in Wien-Hernals, 1979 wechselte er ins Heeresspital in Stammersdorf.
Er gilt als Pragmatiker mit Handschlagqualität, der für seine Kontrahenten deftige Worte finden kann. Der bürgerliche Dorner legte es sich auch mit ÖVP-Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat an. Dennoch erhofft sich vor allem die ÖVP, die das Gesundheitsressort weiter führt, mit Dorner einen kalkulierbaren Partner – anders als bei Vorgänger Reiner Brettenthaler.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2007)