Geschmacksverbrechen lohnt sich nicht

Kann man auch Bundeskanzler(-in) werden, ohne sich in albernen Posen fotografieren zu lassen? Eher schon.

Eine probate Methode, als Politiker in diesem Lande einigermaßen aufzufallen, ist mittlerweile, nicht aufzufallen; jedenfalls nicht durch jene Albernheiten, die der Boulevard so schätzt, weil sie pure Aufmerksamkeit generiert. Nicht eine Ministerin, die sich eine rote Pappnase aufsetzt und in diesem geschmacklich beklagenswerten Zustand auch noch fotografieren lässt, erregt heute noch wirklich öffentliche Aufmerksamkeit, sondern viel eher eine Ministerin, die dergleichen Unfug konsequent verweigert. Fast könnte man sagen: Wo alles laut dröhnt und scheppert, fällt Stille am meisten auf.

Deswegen schadet es den beiden Minister-Damen Schmied (SPÖ) und Plassnik (ÖVP, mögliche Kanzlerkandidatin 2010?) auch überhaupt nicht, dass sie beide vermutlich eher freiwillig in ein Trappistinnen-Kloster einträten, als die handelsüblichen medialen Verrenkungen auf sich zu nehmen, die einem großformatige Magazin-Fotos einbringen, weil eine Ministerin (oder ein Minister) in törichter und/oder peinlicher Pose halt ein Hingucker ist.

Ganz im Gegenteil: Indem sie sich als völlig klamaukfreie Zonen positionieren, fallen die zwei Damen auf wie eine schneeweiße, leere Doppelseite inmitten eines „Österreich“-Exemplars. Nicht unbedingt zu ihrem Schaden, wie die Demoskopie zeigt.

Sie sind damit die Antithese zu Politikern wie Buchinger oder Kdolsky, die stark den Eindruck erwecken, sie würden für einen Foto-Act mit jedem beliebigen Medium mit mehr als sieben Stück Auflage jederzeit ungerührt ihre liebsten Haustiere verspeisen. Es ist dies ein Politikertyp, der über Leichen geht: die sterblichen Überreste des guten Geschmackes nämlich, was wesentlich verwerflicher als gewöhnlicher Mord ist.

Nun mag stimmen, dass selbst die beste politische Idee ein Nonvaleur bleibt, wenn ihr nicht entsprechendes Marketing Flügel verleiht und deshalb sauertöpfisches Augenbrauenhochziehen realitätsfremd anmutet, bloß weil ein Regierungsmitglied öffentlich seine Haare schneiden lässt, über das ministerielle Sexualleben deliriert oder auf der schweren Maschine hinter dem Fronleichnamsbaldachin tuckert.

Und doch legt die Empirie die dringende Vermutung nahe, dass dergleichen Clownerien nicht nur eine ästhetische Zumutung, sondern vor allem auch politisch nicht nachhaltig wirksam sind. Denn sie berauben nicht nur früher oder später ihre Protagonisten in der öffentlichen Wahrnehmung jeder Kompetenz, sie werden irgendwann einmal auch für die einfacheren Gemüter vor allem: langweilig. Gerade jener Boulevard, der die politischen Alleinunterhalter ihres Aufmerksamkeitswertes wegen am Anfang nicht oft genug ins Blatt heben konnte, wird sie ungerührt als kompetenzlose Pausenclowns aburteilen, sobald das Publikum zu gähnen beginnt und nach neuen Wurschteln verlangt.

Deshalb haben die Buchingers und die Kdolskys der politischen Welt zwar oft den Lacher, aber so gut wie nie die ehrliche, langfristige Zuwendung der Wähler und damit letztlich die Geschichte auf ihrer Seite. Die erinnert sich fast immer an Figuren wie Mock, Lacina, Busek oder Kirchschläger – und nicht an irgendwelche Paris Hiltons der Politik.

Christian Ortner ist Journalist in Wien.


christian-ortner@chello.at("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2007)

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