Von "Middlesex" zu Midlife: Eugenides las in Salzburg

(c) AP (Petr David Josek)
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Geminsam mit Peter Simonischek las der US-Autor aus seiner neuen Kurzgeschichte "Early Music" in der halb gefüllten Universitätsaula. Der Vortrag pendelte zwischen sehr unterhaltsam und etwas eintönig.

Es gibt eindeutige Anzeichen für einen "Job": Regelmäßiges Geld, wenig Identifikation, und man mag ihn nicht. So sieht es jedenfalls der Musikwissenschafter Rodney in der Kurzgeschichte "Early Music", die der US-Autor Jeffrey Eugenides ("Middlesex") gestern, Dienstag, Abend gemeinsam mit Peter Simonischek und begleitet vom Musiker Wolfgang Brunner bei den Salzburger Festspielen vorlas. Die bisher unveröffentlichte Erzählung ist eine Geschichte der eigenen Lebensträume und -ziele, die man nur allzu leicht aus den Augen verliert.

Die Lücke zwischen dem, was man tut, und dem, was man gerne tun würde, ist bei Rodney groß. Mit 26 verbrachte er einige Zeit in Berlin, das so ganz anders war als er selbst - irrational, unmathematisch, locker. Mit dem Clavichord, einem frühen Vorgänger des Klaviers, tourte er durch Deutschland und genoss die Gunst des Augenblicks, wenn auch hin und wieder nur vor drei Zuhörern. Zurück in Chicago - mit seiner Frau Rebecca und seinen zwei Kindern - sieht alles nicht mehr so schön aus. Das Clavichord, das in einem Zimmer steht, hat 27.000 Dollar Schulden eingebracht - und die duftenden Stofftiermäuse, die Rebecca herstellt, werden diese Schulden nicht abzahlen können.

Zwischen rationalem Handeln und irrationalen Träumen

Also findet sich Rodney abends vor seinem Clavichord ein, spielt Bach, Müthel und Sweelinck, denkt an seinen ungeliebten Job und seine hohen Ziele - und muss sich schließlich zwischen rationalem Handeln und seinen irrationalen Träumen entscheiden. Gänzlich unprätentiös und mit einem guten Gespür für sanfte Melancholie und subtilen Humor entführt Eugenides mit dem Text in eine Vorstellungswelt, die zur Mitte des Lebens sehr gerne in den Köpfen der Menschen auftaucht: Bin ich zufrieden mit meinem Leben? Sollte ich etwas ändern? Und wenn ja, was?

Bei einem Pressegespräch Dienstag Vormittag hatte Eugenides noch gemeint, dass es ihm Leid tue, dass er - im Gegensatz zum zweiten "Dichter zu Gast", Richard Ford - kein neues Buch nach Salzburg mitgebracht habe. Die Kurzgeschichte "Early Music" entschädigte dafür: Begleitet von Wolfgang Brunner, der die in der Erzählung erwähnten Musikstücke am Clavichord vortrug, saßen Eugenides und Simonischek gestern in der halb gefüllten Universitätsaula vor bläulich beleuchtetem, zerknittertem Papier und lasen abwechselnd auf Englisch und Deutsch, Simonischek sehr unterhaltsam, Eugenides gerne etwas eintönig.

Neugier, Engagement und Formwillen

Aber Schriftsteller müssen ja nicht automatisch auch gute Vortragende sein, ebenso wenig wie Künstler. Dass es aber sehr erfrischend und äußerst spannend ist, wenn man ein Publikum mit seinem Vortrag bei Laune halten kann, bewies gestern Nachmittag zum Auftakt der "Dichter zu Gast"-Reihe Thomas Demand. Der deutsche, in Wien lebende Künstler, der auf Einladung von Eugenides in Salzburg weilt, präsentierte in der Salzburg Kulisse seine jüngste Arbeit "Yellowcake" und verblüffte mit Neugier, Engagement und Formwillen. (APA)


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