Deutschland: Unmut hinter Gartenhecken

Die Moslems suchen den Weg aus den Hinterhöfen. In Berlin-Heinersdorf stößt der Bau einer Moschee auf Widerstand.

Berlin. Zwischen Amsel-, Drossel- und Finkweg entfaltet sich die beinahe dörfliche Beschaulichkeit eines Spätsommerabends. In der Kleingartenanlage an der Prenzlauer Promenade im nordöstlichen Berliner Stadtteil Heinersdorf duftet es nach frisch gemähtem Rasen und Holzkohle inmitten akkurat gestutzter Hecken und properer Blumenpracht. Nur die Flugzeuge, die im Minutentakt dröhnend übers Areal donnern, stören die kleinbürgerliche Idylle der Rentner.

„Aber die sind in fünf Jahren weg, wenn der Flughafen Tegel geschlossen wird. Dafür haben wir dann die Moslems da“, sagt Reiner Hoffmann gallig, während er seinen Gartenzaun streicht, hinter dem ein blank polierter Mercedes funkelt. Der Bau der Khadiya-Moschee in unmittelbarer Nachbarschaft, der überhaupt ersten im Osten Berlins, hat die Gemüter der Anrainer in Wallung gebracht – so wie andere Moscheeprojekte in München oder Köln.

Latente Ängste geweckt

Überall in den deutschen Großstädten suchen die Moslems den Weg aus den Gebetshäusern in den Hinterhöfen und Kellern, was latente Ängste weckt. In Köln, der rheinischen Hochburg des Katholizismus, sind die Wogen sehr hochgegangen. An der Höhe der geplanten Minarette ist eine Kontroverse entflammt, in die Rechtspopulisten wie die Initiative „Pro Köln“ und Linksintellektuelle wie der jüdische Schriftsteller Ralph Giordano (siehe nebenstehendes Interview) oder Günther Wallraff ihr Öl gegossen haben.

Seit den Terroranschlägen islamischer Fundamentalisten hat sich die Kluft zwischen dem Westen und dem Islam gravierend verschärft. In Berlin hat die Bewohner am meisten der Umstand irritiert, dass die 250 Gläubigen der Ahmadiyya-Gemeinde aus entlegenen Bezirken kommen werden.

Doch Protestkundgebungen und die Unterschriftenaktion einer Bürgerinitiative haben nichts gefruchtet. Hinter einem Bauzaun in der Tiniusstraße, unweit des Autobahnzubringers, sind die Bauarbeiten längst im Gang, das Fundament ist bereits gelegt. „Spätestens im Sommer 2008 werden wir fertig sein“, glaubt Bauaufauseher Mustafa Stefan Bauch – „Inschallah.“ Der waschechte, katholisch aufgewachsene Berliner, ein Allround-Handwerker in grauer Latzhose, ist vor 15 Jahren zum Islam konvertiert. Gewitzt und redselig versucht er die Vorurteile und Ressentiments der Bewohner zu zerstreuen. „Wir stehen für einen offenen, toleranten Islam. Die Predigten sind bei uns in Deutsch, und unser Motto heißt: ,Liebe für alle, Hass für keinen.‘“

„Scharia, nein danke“

Zugleich weiß er aber: „Der Islam steht schlecht da – und ist zum Teil selber daran schuld.“ An seiner gelassenen Grundhaltung ändert der teils massive Widerstand nichts. „Einige haben ja vor uns auf der Erde ausgespuckt“, erzählt er beiläufig. „Scharia, nein danke“, lautete eine Parole des Demonstrationszugs. Und schließlich hätten welche einen Brandsatz über den Bauzaun geworfen.

Hoffmann und seine Nachbarn haben sich inzwischen gefügt. Das Bezirksamt hat ein Machtwort gesprochen. Dass Strenggläubige womöglich bald fünfmal täglich nach Heinersdorf pilgern, lässt ihnen jedoch nach wie vor keine Ruhe. Hoffnungsfroh hält Mustafa der Skepsis entgegen: „Wir haben Gottvertrauen. Wir werden einen Tag der offenen Tür abhalten, und irgendwann werden wir uns aneinander gewöhnen.“ Eines aber will ihm nicht in den Kopf: „Wir leben in der Globalisierung und sind uns doch fremder als zuvor.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2007)

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