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Eine Kette in der Vitrine? Da fehlt doch was

(c) Die Presse (Fabry)
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AUSTRIA'07. Florian Ladstätter macht, was derzeit viele wollen: Modeschmuck – zum Anziehen.

Florian Ladstätter ist keiner, der besonders leise redet. Insofern gut möglich, dass die distinguierten Gäste im distinguierten (und sehr ruhigen) Demel-Café mitgehört und sich gewundert haben. Darüber, wer hier eigentlich so leidenschaftlich über show pieces, die Vorbereitung für Paris und die neue Kollektion referiert. Die logische Vermutung wäre: ein Modedesigner. Und damit lag auch man durchaus richtig. Auch wenn Ladstätter keine Kleider, sondern Ketten und Ringe entwirft.

Schmuck oder Mode? Tatsächlich besteht hier kein großer Unterschied. Im Gegenteil, die glamouröse (und lukrative) Verquickung der beiden Disziplinen liegt im Trend, als omnipräsentes Beispiel auf der Big-Player-Ebene dient Swarovski, die ihre Kristalle auf Dirndln und New Yorker Laufstegen glitzern lassen. Ladstätters Anspruch hingegen ist subtiler: Seine Ketten und Ringe (egal, ob atmosphärisch-zarte oder im XL-Format) sollen, wie Kleider eben, mit ihrem Träger verschmelzen. „Wenn eine Kette in der Vitrine liegt und sich dort genügt, da fehlt doch was.“

Seine Position als quasi-popkultureller missing link kann Ladstätter sogar theoretisch untermauern. Immerhin hat er damals, als er nach dem Abschluss der Metallklasse an der „Angewandten“ frustriert „herumdümpelte“, Philosophie in München studiert. Interessant fand er vor allem das Denken der Dekonstruktion und hier Jacques Derrida: „Als ich vom Anwesend-Abwesenden gelesen habe, habe ich erkannt, dass das genau zum Schmuck passt.“ Auch der sei präsent, aber auch nicht, könne nicht für sich allein sein.


Danke, London!

Freilich, Derrida wäre, sagt er schnell, von seiner Theorie sicher nicht begeistert. Und überhaupt sei allzu gescheites Interpretieren von Schmuck oder Mode eine absurde Beschäftigung. „Das Schöne ist ja, dass man hier nichts herleiten muss. Ästhetik ist paralleles Denken.“ Und schnelles. Denn Ladstätters Erfolg gründet sich nicht (obwohl hübsche Idee) auf Philosophie. Genauso wichtig sind gute Pressearbeit, der in der Mode essenzielle Hang zu schnellem Arbeiten und – Glück. Das in Ladstätters Fall in Gestalt eines London-Trips und einer britischen Stylistin daherkam. „London war definitiv entscheidend“, sagt Ladstätter auch im Rückblick.

Ab 2003 ging alles rasch: Ladstätter-Ketten in glossy Magazinen (und dort an Kate Moss), Ladstätter-Ketten in Tokio, bei Colette, Harrods, Barneys. Es folgen eine Kooperation mit Hussein Chalayan, eine Ausstellung im heimischem MAK und zuletzt eine Spezial-Kollektion für Comme des Garçons, prestigeträchtiges Treffen mit Designerin Rei Kawakubo inklusive. Gerade ist er aus Amsterdam zurückgekehrt, im Oktober ist Paris dran.

Das klingt schick und nach Bussi-Bussi-Glamour. Ist aber auch anstrengend. Und mitunter verletzend. Etwa, wenn einen die eigene Mitarbeiterin bittet, doch die Ausstellung zu verlassen. Man könnte sonst Käufer abschrecken.

Ladstätter weiß eine Menge solcher Anekdoten. „In diesem Job muss man eben physisch repräsentieren.“ Und wenn man nicht so aussieht, wie Leute denken, dass ein Designer aussieht, hat man's schwer. Vorschläge sich als exzentrischer Michael Moore zu stylen oder den unsichtbaren Kreativen zu geben, hat Ladstätter dankend abgelehnt. Zum einen sei ihm Inszenierung zuwider, zum anderen „höre ich zu gern in eigener Person, wenn jemand meine Sachen toll findet.“


Outside, inside, mittendrin

Das Nicht-Dazugehören hat aber auch Vorteile: In gewisser Hinsicht ist Ladstätter noch immer der Teenager, der damals in Altlengbach (erfolglos) Wursträder in Kunstharz goss oder sich am bloßen Gewicht von Silberplättchen von Ögussa begeistern konnte. Noch immer experimentiert er ohne Scheu mit Formen und Materialien. In der aktuellen Kollektion „Golden Age“ mischt er billiges Plastikgold mit echten Vergoldungen, hängt Bilderrahmen um zarten Hälse und freut sich, dass er vom Sattler „wirklich grässliche Lederriemen“ bekommen konnte.

„Ich glaube, weil ich nicht in der Modewelt drinstecke, schaffe ich es zu überraschen“, sagt er. Denn das sei das Gute an Modeleuten: Sie sind neugierig auf Neues.

Die Frage ist bloß: Wie lange ist man neu? „Noch schöpfe ich aus dem Vollen. Aber klar, es ist eine Balance zwischen Angst und Selbstbewusstsein.“ Sorgen muss man sich um ihn diesbezüglich aber keine machen. Denn, wie gesagt, er ist keiner von denen, die besonders leise reden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2007)