Toleranz, nicht neue Moscheen

Die Moscheen in Österreich sind fast leer. Warum also neue bauen?

Die gegenwärtige Debatte über Moscheebauten in Österreich veranlasste die Medienreferentin der „Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich“ (IGGiÖ), Carla Amina Baghajati, ein mehrseitiges Dokument „mit Antworten auf häufig an uns herangetragene Fragen“ zu veröffentlichen. Diese Aussendung widerspricht völlig den Vorstellungen der vielen liberalen Muslime in Österreich.

Das Verhältnis zwischen der Anzahl an Muslimen pro Bundesland und der Anzahl an Moscheen und Gebetsräumen in Österreich wird von Frau Baghajati unrichtig dargestellt. Dies ist viel mehr derselbe Richtwert für den Großteil der Städteplaner im Nahen Osten und dürfte daher auch für Österreich mehr als genug sein. Die leeren Reihen außer beim Freitagsgebet geben Zeugnis dafür, dass von Bedarf „in zunehmendem Maße“ keine Rede sein kann.

Minarette, wie sie von Frau Baghajati implizit gefordert werden, hatten früher einzig und allein den Zweck, den Gebetsruf über weite Entfernungen hörbar zu machen. Als Orientierungshilfe mögen sie nützlich sein, doch reichen in der Regel ein Stadtplan oder die menschliche Kommunikation dafür aus. Gerade in einer Großstadt wie Wien würde ein Minarett zur Orientierung eine derartige Größe erreichen, dass sie das Stadtbild wesentlich verändern würde.

Sozialer Knotenpunkt?

Frau Baghajatis Kommentar zum Verhältnis zu Sakralbauten anderer Religionen sei hier kurz wörtlich zitiert: „Eine Ausnahme stellt daher der Umgang mit der Hagia Sophia dar, die von den Ommayaden zur Moschee gemacht wurde. Der moderne türkische Staat hat daraus ein Museum gemacht.“ Erstens verwechselt die IGGiÖ-Referentin die Hagia Sophia in Istanbul mit der Umayyadenmoschee in Damaskus: Erstere wurde von den Osmanen unter Mehmed II. im 15. Jahrhundert von einer christlichen Kirche in eine Moschee umgewandelt, mit der Umayyadenmosche in Damaskus geschah selbiges im Jahr 705 unter dem Kalifen al-Walid. Zweitens stellt die Umwandlung von Kirchen in von Muslimen eroberten Gebieten keine Ausnahme dar.

Meiner Meinung nach wäre die IGGiÖ im Sinne des interreligiösen Dialogs besser beraten, historische Sachverhalte nicht fehlerhaft wiederzugeben und in ihrem Sinne umzudeuten, sondern solchen Terror gegen Andersgläubige im Namen des Islams öffentlich zu kritisieren. Damit würde sie zweifellos mehr Österreicher und Muslime hierzulande auf ihre Seite ziehen. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass manche führenden Personen der IGGiÖ und ihr nahe stehende Vereine ihre Verbindungen zu islamistisch-fundamentalistischen Gruppierungen im Ausland verschleiern. Außerdem sollen wir auch nicht jene Organisationen vergessen, die sich an den Christenverfolgungen und der Zerstörung von 20 Kirchen im Irak beteiligt haben und die aus Österreich Sympathie und Unterstützung bekommen.

Die Rolle des erwähnten „sozialen Knotenpunktes Moschee“ bedarf einer Erläuterung. Spricht sich die IGGiÖ denn etwa für islamische geführte Grätzl mit eigenen Krankenhäusern, Kinderkrippen und Schulen aus, wie sie in dieser Form von der Muslimbruderschaft in Ägypten, der Hisbollah im Libanon oder der Hamas in Gaza betrieben werden? Zum einen ist eine derartige Funktionsakkumulation der Moschee in modernen Staaten in keinster Weise nötig. Zum anderen ist es für eine liberale Gesellschaftsform in hohem Maße bedrohlich, wenn solche sozialen Knotenpunkte den Alltag der Menschen als Parallelgesellschaft in eine eigene, rein religiöse Sphäre verschieben.

Der zwischen den Zeilen geübten Kritik, dass Österreich nicht an jeder Ecke eine Moschee aufstellt, muss man entgegnen, dass die Finanzierung für die Erbauung und Instandhaltung sakraler Bauten in die Verantwortung der jeweiligen Organe der Religionsgemeinschaften fällt. Die von Frau Baghajati angesprochene finanzielle Knappheit der Muslime in Österreich kann bei einer Zahl von 400.000 Menschen mit muslimischem Bekenntnis nicht der Wahrheit entsprechen. Vielmehr ist die finanzielle Knappheit der IGGiÖ eine Realität, die am mangelnden Zuspruch der Muslime gegenüber dieser Organisation liegt. Hätte die IGGiÖ die von ihr behauptete Rolle inne, so wäre es für sie ein Leichtes, finanzielle Mittel für die Errichtung hunderter Moscheen aufzubringen.

Nicht auf Moscheen angewiesen

Um es zu einem Ende zu bringen: Ich halte nichts von dem Versuch der IGGiÖ, die Moscheedebatte in ihrem Sinne auszuschlachten und im Zuge dessen wieder einmal den Anspruch auf die Repräsentation der Muslime in Österreich zu stellen. Wichtig für die Muslime in Österreich ist nicht die Anzahl der Moscheen und Gebetsräume, sondern die ideologische Gesinnung ihrer Vertretung. Ich wünsche mir einen muslimischen Dachverband, der sich vom Hass gegen andere Religionsgruppen vehement abgrenzt und Extremismus ebenso wie Terror im Namen des Islams, wie er im Irak, Afghanistan, Pakistan, Palästina und dem Libanon zum Alltag gehört, öffentlich verurteilt. Mehr als 80 Prozent der liberalen Muslime in Österreich, zu denen ich mich zähle, sind nicht auf den Bau von Moscheen, in denen die IGGiÖ ihre Ideologie verbreitet, angewiesen. Ich fühle mich in Österreich im höchsten Maße frei, meinem Glauben nachzugehen und ihn öffentlich auszuüben.

Dr. Riyadh Alamir ist Generalsekretär des „Österreichisch-Irakischen Verbands für Entwicklung – AIAD“, Chefredakteur der Internetzeitung „iraqoftomorrow“ und Unesco-Experte für Schulbauten.


meinung@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2007)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.