Von Duftnasen und Ghostwritern

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Düfte. Der Parfumeur Frédéric Malle war zu Gast in Wien. Der „Presse“ erzählte er von seiner Arbeit und verriet, was ihn mit der Romanfigur von „Das Parfum“ verbindet: Der Geburtstag.

Frédéric Malle versteht etwas von seinem Fach, der Disziplin des Düfte-Machens. Eines versteht er dennoch nicht: „Fast alle großen Parfumeure verkaufen ihre Düfte unter dem Deckmantel einer Marke,“ sagt Malle. Sie würden im Grunde alle eine Form von Ghostwriting betreiben.

Und Frédéric Malle hat Recht. Oder wissen Sie etwa wie der createur d'odeur ihres Lieblingsparfums mit vollem Namen heißt? Genau das wollte Malle ändern. Der Spross einer Pariser Parfumeur-Dynastie (sein Großvater war Serge Heftler, der Gründer der Parfumlinie von Christian Dior) befragte 2000 neun bekannte Parfumeure, ob sie für ihn arbeiten wollen. „Und die sagten überraschenderweise alle ja“, erzählt der 45-Jährige im Gespräch mit der „Presse“ am Donnerstag. Wobei so überraschend war das im Grunde nicht. Denn Malle bot seinen Kollegen ausreichend Geld um mit den unterschiedlichsten Inhaltsstoffen zu experimentieren, er bot ihnen die (erstmalige) Möglichkeit eine Duftnote unter ihrem eigenen Namen auf den Markt zu bringen – und er bot ihnen Zeit. „Wir müssen nicht für den Valentinstag oder den Muttertag produzieren – wir bringen jährlich nur ein bis zwei neue Parfums heraus und zwar dann, wenn wir fertig sind.“


Fertig geworden sind mittlerweile exakt 16 Düfte – für Frauen und Männer verwendbar –, die seit kurzem im Wiener Geschäft „Pure Day Spa“ an der Wiener Tuchlauben erhältlich sind. Das Geschlechterverhältnis unter den Parfumeuren beträgt derzeit allerdings noch eins zu acht. Die einzige Frau in der Riege der neun „Nasen“ ist zugleich auch die einzige Nicht-Französin: Die Italienerin Olivia Giacobetti. Ihre Kollegen Edouard Fléchier, Maurice Roucel oder Edmond und Michel Roudnitska sind hingegen alle Franzosen.

Und wie wird man eigentlich Parfumeur? Nun, in dem man entweder in eine alteingesessene Parfum-Familie geboren wird (wie Michel Roudnitska) – und das am besten gleich in der Wiege der Parfumindustrie, in Grassewie Jean-Claude Ellena. Oder aber man macht es wie Pierre Bourdon, den Erfinder des Männer-Duftklassikers „Cool Water“ für Davidoff. Er hat zunächst Politikwissenschaft in Paris studiert, bevor er nach Grasse ging, um dort an der Roure Betrand Dupont Schule zu lernen – wie übrigens auch sein Kollege und Chef Frédéric Malle. Der schon ein wenig schwermütig auf den bevorstehenden Abschied von Bourdon blickt: „Er wird im kommenden Jahr in Pension gehen – und wird dann nur mehr fischen gehen“, sagt Malle. Auf der Suche nach einem passenden Nachfolger für Bourdon hält Malle nun deshalb die Augen nach weiblichem Nachwuchs offen. „Bis vor ein paar Jahren war der Beruf des Parfumeurs fast ausschließlich von Männern dominiert – das ändert sich jetzt langsam.“


Allerdings, auch der berühmteste Parfumeur in der Literaturgeschichte ist ein Mann. Malle hat „Das Parfum“ von Patrick Süskind „natürlich“ gelesen. Und es gefiel ihm zumindest besser als der Kinofilm, der ihm Vorjahr Premiere hatte. Das einzige, was er an der Geschichte von Jean-Baptiste Grenouille tatsächlich interessant findet, ist aber die Tatsache, „dass er am gleichen Tag Geburtstag hat wie ich – am 17. Juli, allerdings 224 Jahre vor mir.“

Einen eigenen Lieblingsduft hat Malle übrigens nicht. „Kein Parfumeur hat den. Das ist wie bei einem Kunsthistoriker, der hat auch kein Lieblingsbild.“ Nun gut, vielleicht haben Parfumeure kein Lieblingsparfum. Sie messen die Qualität der Düfte aber dennoch an Kriterien. Etwa daran, ob sie einen Duft gerne selbst kreiert hätten. Oder an speziellen Erinnerungen. „Ich war einmal unsterblich in ein Mädchen verliebt, dass ,Paris‘ von Yves Saint Laurent getragen hat“, sagt Malle. Verständlich, das er diesen Duft immer noch schätzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2007)

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