Die Welt bis gestern: „Schmiergeld“ anno dazumal

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Skoda. Der böhmische Rüstungsbetrieb machte dem Kaiser ein teures Geschenk.

Lobbyismus: Der Begriff geht auf die Lobby (Wandelhalle) zurück – auf die „lobia“ des römischen Senats, auf die „lobby“ des britischen Unterhauses oder des US-amerikanischen Kongresses –, in der bestimmte Gruppen die Parlamentarier an die Möglichkeit ihrer Abwahl erinnerten und so Vorteile für ein bestimmtes Verhalten in Aussicht stellten.

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Ein besonders apartes Beispiel für Lobbyismus in der Donaumonarchie hat die Wiener Historikerin Ulla Fischer-Westhauser ans Tageslicht befördert. Die berühmten „Skoda“-Werke in Pilsen (Böhmen) wandten sich 1906 nicht an irgendwelche subalterne Beamte, sie griffen gleich so hoch es ging: Sie legten Ihrer Majestät, Franz Joseph I., Kaiser von Österreich, Apostolischem König von Ungarn, von Böhmen etc. etc. eine silberne Prunkkassette zu Füßen, die ihresgleichen in der Kunstgeschichte sucht. Noch bis 28.Oktober kann man sie im Prunksaal der Nationalbibliothek bewundern: in der Ausstellung „Geschenke für das Kaiserhaus.“

Das Prachtstück, das von den „Wiener Werkstätten“ gefertigt wurde, enthält 52 Werksaufnahmen des damals größten Rüstungsunternehmens der Monarchie, und es war den Auftraggebern 7300Kronen wert. Ulla Fischer-Westhauser: „Ein höherer Beamter der Postsparkasse hatte damals einen Jahresverdienst von etwa 4000Kronen, ein Automobil der Firma Klement&Laurin war auch um knapp 4000Kronen zu haben.“

Warum dieser enorme Aufwand? Die Historikerin: „Skoda stand in direkter Konkurrenz zu den großen Waffenschmieden wie Krupp in Deutschland, Schneider-Creuzót in Frankreich oder Vickers in England.“

Die Skodawerke in Pilsen waren aus der Maschinenfabrik von Graf Ernst Waldstein (1821–1904) hervorgegangen, spezialisiert auf die maschinelle Einrichtung von Brauereien, Zuckerfabriken und Bergbaubetrieben. 1866 holte man den böhmischen Oberingenieur Emil Skoda (1840–1900), um das Unternehmen zu sanieren. Drei Jahre später kaufte Skoda die Fabrik (mit 33 Mitarbeitern) und verwandelte sie in ein erfolgreiches Unternehmen mit 4000 Beschäftigten. Er ließ zwei Siemens-Martin-Hochöfen zur Stahlproduktion aufstellen und machte die Rüstungsproduktion zum Kerngeschäft. Größter Konkurrent war Krupp in Essen, bei dem selbst die österreichisch-ungarische Marine bestellte. Erst als es Skoda gelang, die deutsche Kriegsmarine ihrerseits als Kunden zu gewinnen, war der Durchbruch geschafft. Die „Neue Freie Presse“ schrieb am 8.August1900 (Abendblatt), dass einer der bekanntesten Passagierdampfer des Norddeutschen Lloyds in Bremen, die „Kaiser Wilhelm der Große“, aus Skoda-Stahl gefertigt wurde.

Die Historikerin erklärt: „Ritter von Skoda war Verwaltungsratsmitglied des Österreichischen Lloyd und konnte so das Schiffsbauprogramm entscheidend beeinflussen. Gegen Ende des Jahrhunderts wurde ein neues Rüstungswerk errichtet, und Skoda lieferte seine ersten Schiffsgeschütze an die k.u.k. Kriegsmarine. Die erhofften Aufträge für die Artillerie jedoch, die ihn finanziell absichern sollten, blieben aus. Ende 1899 wurde die Firma auf Drängen der Banken in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und Skoda wurde sowohl deren Aufsichtsratspräsident als auch Generaldirektor. Neben seinen vielen Ämtern in der Industrie berief ihn der Kaiser auch ins Herrenhaus. Doch schon im Alter von 60 Jahren starb der Vielbeschäftigte in einem Eisenbahnabteil auf der Heimfahrt von einem Kuraufenthalt in Bad Gastein. Es war der 8.August1900.“

Die AG, zu der eine Maschinenfabrik, eine Kesselschmiede, eine Brückenbauanstalt, eine Eisengießerei und eine Stahlhütte gehörte, bilanzierte in der Maschinenproduktion negativ. Nur die Waffenproduktion machte Gewinne.

Doch gerade da spießte es sich in Wien: Feldzeugmeister Alfred Ritter von Kropatschek, Generalinspektor der Artillerie, war ein erklärter Gegner von Skoda. Er fürchtete einen zu großen Einfluss der Pilsener Rüstungsschmiede auf die Ausstattung der Armee. Schon seit Jahren bezog die Kriegsmarine Stahlgeschütze von Skoda, seit 1904 wurden auch die Schlachtschiffe mit schweren Turmgeschützen der Skodawerke bestückt. Hier konnte Skodas Sohn Karl behilflich sein, der als Attache bei der k.u.k. Kriegsmarine tätig war und ab 1902 in den Verwaltungsrat der Skodawerke berufen worden war. Doch Kropatschek wollte die untergeordnete Rolle der Marine nicht weiter aufwerten.

Der „Vizekaiser“ wurde molestiert

Was tun? Generalstabschef Graf Friedrich Beck-Rzikowsky, im Volksmund „Vizekaiser“ genannt, wurde bekniet, den Kaiser zu einem Betriebsbesuch zu bewegen. Die Manöver in Böhmen waren ein idealer Zeitpunkt – am 9.September1905 konnte der seit 1904 amtierende Generaldirektor Georg Günther die Majestät „unter großer Anteilnahme der Belegschaft“ durch das Werksgelände führen.

Damit Franz Joseph auch in Wien an Skoda denken möge, wurde ihm die Prunkkassette dargebracht. Am Schluss waren alle Gewinner: Die meisten Geschützbestellungen wurden künftig bei Skoda getätigt, der Generaldirektor erhielt 1906 das Offizierskreuz des Franz-Joseph-Ordens, die „Wiener Werkstätten“ hatten einen Referenzauftrag, der sich sehen lassen konnte – nur der Generalartillerieinspektor Kropatschek erhielt vom Kaiser einen Verweis...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2007)

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