Staatsbesuch: „Schweden ist noch immer ein Wohlfahrtsstaat“

Vize-Premier Maud Olofsson, die heute Wien besucht, über Kürzungen im Sozialsektor und Umweltschutz.

Stockholm.Vor mehr als einem Jahr ist Schwedens neu gewählte bürgerliche Regierung ausgezogen, das Land nach zwölf Jahren in der Hand der Sozialdemokraten rundum zu erneuern. „Und seither ist viel passiert“, beschwört Schwedens Vize-Premierministerin Maud Olofsson.

Ihre Zentrumspartei ist Teil der Viererkoalition, welche die absolute Mehrheit im Parlament hat. Die 52-Jährige, die auch Wirtschaftsministerin ist, trifft heute gemeinsam mit dem schwedischen Königspaar Carl XVI. Gustaf und Silvia zu einem dreitägigen Staatsbesuch in Wien ein.

„Wir haben unser Wahlversprechen gehalten und neue Jobs geschaffen“, erklärt Olofsson in ihrem Büro im Stockholmer Zentrum. Außerdem fördere die Regierung kleine und mittelständische Unternehmen, habe spezielle Förderungsprogramme für Frauen entwickelt, die Unternehmen gründen wollen, sowie Steuererleichterungen gebracht. „Unsere Wirtschaft boomt. Schweden steht sehr gut da“, sagt Olofsson.

Den Sozialsektor hat die Regierung völlig umgekrempelt. Durch Kürzungen des Arbeitslosengeldes und Steuererleichterungen für Angestellte soll die Schar der arbeitenden Schweden erhöht werden. „Bei einer Bevölkerung von etwa neun Millionen haben wir eine Million, die ganz einfach keiner Arbeit nachgeht. Das können wir nicht tolerieren“, redet sich Olofsson in Rage. Ebenso sollen Langzeit-Krankenstände der Vergangenheit angehören. Die Unterstützung wurde massiv gekürzt.

Schlechte Umfragewerte

Während Olofsson – natürlich – ganz auf Regierungslinie davon spricht, dass so beinahe 140.000 neue Jobs geschaffen werden konnten, fürchten die Sozialdemokraten um den weltweit beschworenen Wohlfahrtsstaat. Und prompt wurde die Regierungskoalition von den Schweden bei einer Umfrage mit schlechten Werten bedacht. Die Menschen hätten Angst vor Veränderungen, meint Olofsson. Bald würden sie aber merken, dass es eine Veränderung zum Guten sei. „Wir haben noch immer ein sehr gutes Sozialsystem.“

Besonders interessiert ist die Wirtschaftsministerin an erneuerbarer Energie – ein Steckenpferd, das sie mit König Carl Gustaf teilt. Derzeit bezieht Schweden seinen Strom je zur Hälfte aus Atomkraftwerken und aus Wasserkraftwerken. „Nun wollen wir ein drittes Standbein forcieren“, meint Olofsson. Obwohl Schweden an seiner Atompolitik festhält, habe die Forschung im Bereich alternativer Energiequellen einen hohen Stellenwert.

Grünes Vorbild für Österreich

„Wir sind der Meinung, dass der Umweltschutz für den Konsumenten so einfach wie möglich gemacht werden muss. Da könnte Österreich von uns lernen“, meint Olofsson. 20 Prozent der neuen Pkw sind „grüne Fahrzeuge“, die mit Ethanol betrieben werden. „An Tankstellen wird Biotreibstoff angeboten. Heute muss man nach Benzin fragen“, so Olofsson. Auch Österreich sollte auf alternativen Treibstoff umsteigen. „Die Schweden lieben ihre Natur, daher mussten wir etwas ändern.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2007)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.