Vorbild Schweden: Das neutrale Wohlfahrtspärchen

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Spätestens seit Kreisky blicken Österreichs Sozialdemokraten bewundernd nach Schweden. Neuerdings pilgern auch ÖVP-Politiker nach Stockholm – aus anderen Gründen.

Schweden und Österreich, das ist Harmonie. Ein einträchtiges neutrales Wohlfahrtsstaatspärchen. Doch das war einmal anders, ganz anders.

Während des 30-jährigen Krieges waren das katholische Österreich und das protestantische Schweden Gegner. Die Großmacht Schweden stand vor den Toren Wiens. Der Legende nach beteten die Wiener brav zur Heiligen Birgitta, einer schwedischen, katholischen Heiligen. Mit Erfolg: Die Stadt wurde nicht eingenommen. Aus Dank benannte man den heutigen 20. Bezirk nach ihr: aus Birgitta wurde Brigittenau. „Eine Verballhornung ihres Namens“, sagt Matthias Langheiter-Tutschek vom Institut für Skandinavistik der Universität Wien.

Richtig gut wurden die Beziehungen erst im Laufe des 20. Jahrhunderts. Das neutrale Schweden – es nahm an keinem der Weltkriege teil – entsandte nach dem Ersten Weltkrieg Helfer nach Österreich: Sie bauten soziale Einrichtungen. Österreichische Kinder wurden auf Erholung zu schwedischen Pflegeeltern verschickt. Aus Dank tauften die Wiener einen bis heute nicht besonders ansehnlichen Ort am Donaukanal „Schwedenplatz“.

In der Zwischenkriegszeit intensivierten sich vor allem die wirtschaftlichen Beziehungen: Schwedische Firmen eröffneten hierzulande Fertigungsstellen und Vertriebsniederlassungen. In diese Zeit reichen auch die Kontakte zwischen österreichischen und schwedischen Sozialdemokraten zurück. Für einige wurden diese Kontakte überlebensnotwendig.

Dem Modell nie ganz gefolgt

Viele österreichische und deutsche Sozialdemokraten – darunter die Nachkriegspolitiker Bruno Kreisky und Willy Brandt – gingen während der Nazi-Zeit ins Exil in den Norden. Kreisky war begeistert von Schweden – von dieser „funktionierenden und lebendigen Demokratie“, wie er in seinen Erinnerungen schrieb.

Die Treffen mit Per Albin Hansson, dem Chef der schwedischen Sozialdemokraten, und Olof Palme, dem späteren Ministerpräsidenten, prägten ihn. Von seiner „zweiten Heimat“ Schweden übernahm Kreisky viele Ideen – um sie später in Österreich anzuwenden. Eine ganze Generation habe durch das Exil und die Kinderaufenthalte „ein positives Schweden-Bild sowie Grundkenntnisse von Sprache und Kultur“ erhalten, sagt Langheiter-Tutschek.

In den 60ern und 70ern war Schweden für die Sozialdemokratie das „Vorzeigeland“, erklärt der Politikwissenschafter Emmerich Tálos. Schweden galt als Musterbeispiel gelungener Politik am Arbeitsmarkt und bei der Integration von Frauen in die Erwerbsarbeit. Allerdings sei Österreich dem schwedischen Modell nie ganz gefolgt: „Obwohl der schwedische Wohlfahrtsstaat als Vorbild genannt wurde, ist das in Österreich nur in Teilen vorhanden.“

In Österreich sind Sozialleistungen vor allem an Erwerbsarbeit gekoppelt, während es in Schweden mehr universelle Leistungen gebe.

Weiterer wichtiger Meilenstein, den beide Länder zur gleichen Zeit nahmen: der EU-Beitritt im Jahre 1995. In Schweden fiel die Zustimmung mit nur knapp über 50 Prozent zwar dürftig aus. Doch das bündnisfreie Schweden musste sich erst an die Idee eines geeinten Europa gewöhnen. Der Euro-Zone blieb man aber bis heute fern.

Sanktionen gegen Schwarz-Blau

Wenig später zogen aber bereits die ersten Gewitterwolken am schwedisch-österreichischen Himmel auf. Als im Jahr 2000 die schwarz-blaue Koalition das Missfallen der EU erregte, machte sich auch Premier Göran Persson für Sanktionen gegen Wien stark.

Als sich Österreich dann später noch dazu entschied, für das Bundesheer anstatt bei Saab – eine 50-jährige Tradition – den Eurofighter einzukaufen, reagierte Stockholm verschnupft.

Nichtsdestotrotz: Seit der Kreisky-Ära hat sich auf politischer Ebene ein reger Austausch zwischen den beiden Staaten entwickelt. Schwedische Parteichefs haben sich immer wieder die Ehre gegeben und ihre Kollegen weiter südlich besucht. Sowohl SPÖ als auch ÖVP haben Parteitage und Konferenzen mit „Stargästen“ aus dem Norden gekrönt.

So war der damaligen Premier Göran Persson zu Gast bei SPÖ-Veranstaltungen. Nach seinem Wahlsieg wurde der konservative Premier Fredrik Reinfeldt für die ÖVP interessant. Erst Anfang 2007 referierte der 41-Jährige bei einer ÖVP-Veranstaltung über sein Erfolgsmodell der „neuen Moderaten“ – die um einiges weiter links als die österreichischen Konservativen anzusiedeln sind.

Und erst vor wenigen Wochen machte sich Vizekanzler Molterer auf in den hohen Norden, um sich wieder einmal mit Frederik Reinfeldt zu beraten, wie man nämlich gegen Missbräuche des Wohlfahrtstaates vorgehen kann.

Schweden hat eben noch immer Vorbildfunktion für Österreich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2007)

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