Die Koalition will, dass Volksanwälte Druck auf schnelle Urteile machen dürfen – Richter und Anwälte sind strikt dagegen.
Wien. „Wenn sie das so sieht, dann bin ich enttäuscht.“ Der neue Richter-Präsident Werner Zinkl kann im Gespräch mit der „Presse“ nicht nachvollziehen, warum Justizministerin Maria Berger keine Einwände gegen den jüngsten Regierungsplan erhebt: Dieser sieht vor, dass die Volksanwälte Kompetenzen im Justizbereich bekommen: So sollen sich Personen bei der Volksanwaltschaft beschweren dürfen, wenn ein Gerichtsverfahren zu lange dauert. Die Volksanwaltschaft kann darauf beim Gericht einen Fristsetzungsantrag setzen – und auch Dienstaufsichts-Maßnahmen anregen.
Berger hatte erklärt, dass sie mit diesen Zusatzkompetenzen für Volksanwälte kein Problem habe – auch einen Eingriff in die Rechtssprechung fürchtet sie nicht. Dieser hätte nur durch die ursprünglich geplante Einführung eines eigenen Justizanwalts gedroht: Denn gegenüber diesem hätten die Richter ihre Entscheidungen begründen müssen. Das Thema Justizanwalt sei aber „Gott sei Dank vom Tisch“, so Berger.
Doch Zinkl fürchtet auch durch die neuen Kompetenzen der Volksanwälte „ganz massive“ Eingriffe. Überdies glaubt er, dass noch stärkere Eingriffe in die Justiz folgen könnten: Daher gelte es, diesen „ersten Schritt zu verhindern“. Dass es nun konkrete Protestmaßnahmen der Richter geben könnte, wollte Zinkl weder bestätigen noch dementieren: Er verwies nur auf eine für den nächsten Dienstag angesetzte Richter-Pressekonferenz mit dem kämpferischen Titel „Angriff der Bundesregierung auf die Unabhängigkeit der Rechtsprechung durch die geplanten Verfassungsänderungen“.
Unterstützung für die Anliegen der Richter kommt von den Anwälten: Deren Präsident Gerhard Benn-Ibler kann die Pläne nach dem derzeitigen Wissensstand (an der schriftlichen Formulierung des Regierungsplans wird noch gearbeitet) nicht nachvollziehen: „Ich habe ganz schwere Bedenken dagegen“, erklärte Benn-Ibler. In einem Zivilprozess gebe es ein ausgewogenes Verhältnis zweier Parteien. Dass da mit dem Volksanwalt eine dritte Person eingreife, sei „nicht sachgerecht“. Richter-Chef Zinkl verwies zudem darauf, dass bereits jetzt die in einem Prozess betroffenen Personen Fristsetzungsanträge bei Gericht stellen können.
Allerdings: Laut Gerichts-Insidern wird von dieser Möglichkeit momentan so gut wie nie Gebrauch gemacht – dahinter dürfte die Angst stehen, den jeweiligen Richter zu verärgern.
Freude über den Regierungsplan kommt bei Volksanwalt Peter Kostelka auf: Die neue Kompetenz sei notwendig, so Kostelka. Das zeige die momentan große Zahl von Beschwerden über lange Gerichtsverfahren bei der Volksanwaltschaft. Momentan müsse man den Leuten aber noch sagen, dass die Volksanwälte hier nicht helfen können. Die Angst der Richter kann Kostelka ebenso wie Berger nicht nachvollziehen: „Die richterliche Unabhängigkeit ist nicht beeinträchtigt“, sagt er über die geplanten Maßnahmen.
Asylgericht: Experten-Kritik
Auch das Thema Asylgerichtshof sorgt trotz der am Donnerstag erfolgten Einigung von SPÖ und ÖVP weiter für Querelen. So hält der Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk auch den überarbeiteten Entwurf für „nicht besonders geglückt“. Er kritisierte unter anderem, dass der Innenminister weiterhin Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) zu unklaren rechtlichen Grundsatzfragen anregen kann. Am Donnerstag hatte die Regierung nur präzisiert, dass diese Entscheidungen keine Auswirkung auf einen bereits entschiedenen Asylwerber-Fall haben darf. Der Asylwerber selbst kann sich nie an den VwGH wenden.
Ministerin Berger – sie war eine der schärfsten Kritiker des Asylgerichtshof-Entwurfs der Regierung – wollte sich am Freitag nicht zum neuen Entwurf äußern.
AUF EINEN BLICK
Richter und Anwälte sind dagegen, dass Volksanwälte Fristsetzungsanträge bei Gericht stellen dürfen. Volksanwalt Kostelka meint, diese Maßnahme sei notwendig. Ministerin Berger sieht in diesem Plan kein Problem.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2007)