Die Regierung von Premier Ferenc Gyurcsány beschloss trotz heftigen Widerstands am Montagabend die Reform der Krankenversicherung.
BUDAPEST. Ein Schlagwort hat dieser Tage Hochkonjunktur in Ungarn: "Sztrájk!" Gestern, Montag, wurde bereits zum siebzehnten Mal in diesem Jahr ein Streik ausgerufen, um gegen die missliebigen Reformen der linksliberalen Regierung von Premier Ferenc Gyurcsány zu Felde zu ziehen.
Die Initiatoren des landesweiten Ausstandes waren wie schon beim letzten Großstreik Ende November die Liga Gewerkschaften und die Landesallianz der Arbeiterräte (MOSZ). Grund waren die geplanten Regierungsmaßnahmen im ungarischen Gesundheitsversicherungs- und Pensionssystem.
Der Arbeitsniederlegung schlossen sich zahlreiche Gewerkschaften und Fachorganisationen an, darunter Bahnbedienstete, Ärzte, Gesundheits- und Sozialberufe, Bauern sowie zwei regionale Organisationen des staatlichen Busunternehmens Volán. Zudem legten am Montag 40.000 ungarische Pädagogen ihre Arbeit nieder. Am Morgen streikten aber auch zwei Stunden lang die Bediensteten des Budapester Flughafens Ferihegy.
Jeder zweite Zug fiel aus
Als Folge der landesweiten Streiks verkehrte am Montag nur etwa die Hälfte der ungarischen Züge, in einigen Regionen kam außerdem der Busverkehr zum Erliegen. In mehreren hundert Schulen war der Unterricht stundenlang unterbrochen, ebenso der Betrieb in 15 Krankenhäusern und Ambulanzen. Aber auch in mehreren ungarischen Kraftwerken und Industriebetrieben gab es am Montag Ausstände. Zudem errichteten Bauern an 46 Punkten des Landes halbseitige Straßensperren.
Die Streiks richteten sich vor allem gegen das vom Parlament am Montagabend verabschiedete Gesetz zur Umgestaltung des desolaten Gesundheitsversicherungssystems. Die linksliberale Regierungskoalition will die zentrale Landesgesundheitskasse (OEP) zerschlagen und die Krankenversicherung stattdessen in 19 regionale Versicherungen aufgliedern. Diese sollen teils in staatlicher, teils in privater Hand sein, wobei kommerzielle Versicherungsgesellschaften maximal 49 Prozent der Anteile besitzen dürfen. Der Staat soll also in allen 19 Komitaten (vergleichbar mit den österreichischen Bundesländern) in der Mehrheit bleiben.
Ungeachtet dieser Tatsache malen die Organisatoren des Streiks die "Privatisierung des Gesundheitswesens" an die Wand, wo künftig ausschließlich Profit-Orientierung vorherrschen werde und die armen Menschen bei der Gesundheitsversorgung auf der Strecke blieben. Die Initiatoren des Streiks drohten, den Ausstand "unbefristet" fortzusetzen. Die Regierung ließ sich nicht beeindrucken. Die namentliche Abstimmung am Montag wurde von Buh-Rufen der Opposition begleitet. Die Polizei ergriff spezielle Sicherheitsmaßnahmen.
Neben der Umgestaltung der Gesundheitsversicherungen richtete sich der Streik auch gegen Neuerungen bei der Rentenberechnung ab 2008. So wird befürchtet, dass Pensionisten acht bis zehn Prozent weniger Pension bekommen werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2007)