Schwere Vorwürfe: "Alte Straßenbahn ist Gefahr"

Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein Wiener gerät unter eine Straßenbahn und stirbt. Fahrgast-Vertreter warnen vor Sicherheitsproblem.

WIEN. Donnerstagabend. Ein Mann gerät unter die Straßenbahn. Der Fahrer sieht das nicht. Die Garnitur fährt an. Der Mann stirbt. Vier Stationen wird die Leiche entlang der Linie 21 mitgeschleift; quer durch den 20. und 2. Bezirk.

Robert Huka (Verein Fahrgast) ist entsetzt: „Das Problem ist, dass alte Straßenbahnen keinen Rückspiegel haben.“ Huka: „Falls sich die Tür schließt, ein Fahrgast eingeklemmt und mitgeschliffen wird, hat der Fahrer keine Chance das zu erkennen, kritisiert der Experte gegenüber der „Presse“.

Zeugen des Unglücks hatten gegenüber der Polizei genau diesen Unfallhergang beschrieben: Der Mann wurde beim Einsteigen von der Tür eingeklemmt, beim Anfahren der Straßenbahn mitgeschleift und schließlich unter die Räder gezogen.

Huka legt nach: Wenn jemand zwischen Triebwagen und Anhänger klettert, um einen Weg abzukürzen, hätte der Fahrer ohne Rückspiegel keine Chance das zu bemerken: „Solche Fälle hat es bereits mehrfach gegeben. Die alten Straßenbahnen sind eine Gefahr.“

Mehrfach habe der Verein Fahrgast (eine Vertretung der Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel) gefordert: Die alten Straßenbahnen müssen mit einem Rückspiegel ausgerüstet werden – damit der Fahrer Gefahrensituationen erkennt und rechtzeitig eingreifen kann: „Die Forderung nach Rückspiegeln wurde nie erhört“, sagt Huka: „Die Wiener Linien wehren sich dagegen – wir konnten eine Nachrüstung bis heute nicht durchsetzen, obwohl die neuen Straßenbahnen („Ulf“, Anm.) nach einer Gesetzesänderung einen Rückspiegel besitzen müssen.“

„Brauchen keinen Rückspiegel“

Ironie des Schicksals: Gerade die ersten Ulfs bekamen monatelang keine Zulassung – weil sie keine Rückspiegel hatten und die Gesetzesänderung bereits in Kraft war.

Hinter vorgehaltener Hand wird im Umfeld der Wiener Linien ein Grund für die Rückspiegel-Verweigerung kolportiert: Im Falle eines Unfalls könnte den Wiener Linien leichter eine Teilschuld „umgehängt“ werden – mit der Begründung: Der Fahrer hätte zur Unfall-Vermeidung genauer in den Rückspiegel sehen müssen. Huka: „Wien ist die einzige Stadt in Österreich, die alte Straßenbahnen nicht mit Rückspiegeln nachrüstet; obwohl es ein Sicherheitsgewinn wäre.“

Johann Ehrengruber (Wiener Linien) kann sich das Unglück vom Donnerstag nicht erklären. Obwohl Zeugen vor der Polizei sagen, dass das Opfer von der Tür eingeklemmt und zu Tode geschleift wurde, ist das für Ehrengruber nicht glaubwürdig: „Es gibt Sicherheitseinrichtungen, die das verhindern.“ Vor kurzem gab es einen ähnlichen Fall. Eine Frau erklärte, sie sei beim Einsteigen eingeklemmt und mitgeschleift worden (sie wurde leicht verletzt). Auch hier zweifeln die Wiener Linien die Glaubwürdigkeit an: „Dass mehrere Sicherheitseinrichtungen gleichzeitig versagen ist unwahrscheinlich.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2007)

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