Keine Kinder, gute Frau, bessere Arbeitskraft

Der Feminismus der Fünfziger trifft sich mit Wünschen der heutigen Wirtschaft. Zukunft schaut aber anders aus.

Verliebt, verlobt, verprügelt. So einfach sieht die Welt von Doris Bures aus. Sollten Sie es übersehen haben: Das ist das neue Sujet der Frauenministerin, und es soll... Ja, was soll es eigentlich? Davor warnen, dass es auch in freundlichen Bilderbuchfamilien wie der abgebildeten Aggression gibt? Dass frau sicherheitshalber gar nicht heiraten soll? Dass in jedem Mann ein potenzieller Gewalttäter steckt? In Wahrheit geht der Appell völlig ins Leere. Besser wäre es, den Betrachter aufzufordern, im Falle des Falles nicht wegzuschauen. Und gut wäre überhaupt, die Männer ins Boot zu holen, statt sie auszugrenzen. So gesehen ist der mehr als zehn Jahre alte Werbespruch von Ex-Ministerin Helga Konrad – Halbe/Halbe – noch immer aktuell. Im Neuzeit-Feminismus hat es sich nämlich schon herumgesprochen, dass es nicht genügt, wenn Frauen ein neues Bewusstsein haben und mit Riesenkraft ihre alten und auch ihre neuen Rollen ausfüllen, während Männer lediglich ihre bisherigen Bastionen verteidigen.

Wer aber wie Marlene Streeruwitz nur auf vermeintlich hohem Niveau jammert und Simone de Beauvoir (zu deren 100. Geburtstag) beschwört, ist ganz schön rückwärtsgewandt. Beauvoir hat seinerzeit Heirat und Mutterrolle als Frauenfalle gebrandmarkt. Der Verzicht auf beides war zwar nicht wirklich zukunftsweisend, aber revolutionär. Heute ist er Allgemeingut.

Es hat unendlich viel Energie kostet, zu beweisen, dass Frauen nicht schlechter als Männer fürs Denken und für die Karriere geeignet sind. Danke, Simone de Beauvoir, danke Alice Schwarzer, danke Johanna Dohnal! Aber zu Beginn des 21.Jahrhunderts darf es erlaubt sein, ketzerische Fragen zu stellen. Zum Beispiel: Ist die alte männliche Biografie – ganz viel Beruf, möglichst wenig Familie – das für alle allein seligmachende Modell? Nein, sagen die Österreicher immer häufiger, siehe eine neue Fessel-Studie („Die Presse“ vom 27.12.) In Sachen Work-Life-Balance kippt die Stimmung Richtung Privates, auch wenn paradoxerweise jener Teil der Gesellschaft, der (noch) berufstätig ist, von Jahr zu Jahr mehr Zeit in der Firma verbringt.

Müsste aber das Zukunftsmodell für alle nicht auch „weiblichere“, kindgerechtere, also menschenfreundlichere Züge tragen? Beauvoir konnte ja nicht ahnen, dass sich ihre feministischen Vorstellungen einmal völlig mit den von ihr so bekämpften „kapitalistischen“ decken: Weil die Frau als Arbeitskraft immer dringender gebraucht wird, ist es der Wirtschaft äußerst willkommen, wenn sie nicht von familiären Verpflichtungen abgelenkt wird. Keine Kinder, gute Frau, bessere Arbeitskraft. Und die nächste Generation? Die wird adoptiert wie bei Hollywood-Stars oder importiert (Facharbeitermangel). Damit handeln wir uns zum Teil aber auch ein recht mittelalterliches Frauenbild ein, dem linke Feministinnen aus Angst, an rechten Ideologien anzustreifen, nichts entgegensetzen zu haben außer schweigende „Toleranz“.

Natürlich ist das Kinderkriegen auch für „westliche“ Frauen noch immer mit dem Risiko verbunden, ins 19.Jahrhundert zurückgebeamt zu werden. Aber die Chancen stehen jetzt schon ganz gut, das Leben so wie angestrebt zu verwirklichen. Worum geht es 2008? Um eine bessere Geschlechterverteilung an der Spitze von Unternehmen (mehr Frauen) und bei der Erziehung (mehr Männer). Die Feminisierung des Bildungswesens hat dazu geführt, dass vor allem den Burschen später schmerzlich die positiven männlichen Rollenbilder abgehen.

Nicht zukunftsweisend ist auch das „Ganz oder gar nicht“-Prinzip im Berufsleben: Hackeln bis zum Umfallen, dann möglichst früh in die Pension. Warum nicht für kleine Kinder, für Weiterbildung, Pflege von Familienangehörigen, Ehrenamt usw. vorübergehend leiser treten, dafür aber länger im Arbeitsprozess bleiben? Das setzt natürlich bessere Um- und Wiedereinstiegsmöglichkeiten, andere Jobs für Ältere als für Junge voraus. Aber dieses „Ganz oder gar nicht“ ist einer der Gründe, warum junge Menschen das Gefühl haben, ein Kind in ihrem Leben einfach nicht verstauen zu können (um im Alter dann reuig zurückzublicken und zu wissen, dass es mit mehr Fantasie schon gegangen wäre). Eltern sind „Aussteiger aus dem alles erfassenden Effizienzprinzip“, sagt die Literaturkritikerin und Autorin Iris Radisch („Die Schule der Frauen“). Stimmt. Wenn dieses Aussteigertum (auch aus der allumfassenden Konsumgesellschaft) aber in der Praxis weiterhin nur von Frauen eingefordert wird, dann muss sich niemand über den zunehmenden Gebärstreik wundern.

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martina.salomon@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2008)

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