Günther Platter erfindet sich neu

AP (Ronald Zak)
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Wegen seiner Law-and-Order-Politik ist der VP-Innenminister ins Kreuzfeuer vieler Kritiker geraten. Nun startet er eine österreichweite Integrations-Debatte.

WIEN. Zwei Kinder, die im Licht gleißender Sonne auf einem Hügel sitzen, zwei andere, die dem Gipfelglück entgegen klettern: Ein bisschen Urlaubsstimmung verbreitet das Foto, das an die Wand projiziert ist, ein Stückchen heiler Welt. „Gemeinsam kommen wir zusammen“ ist da noch zu lesen.

Der Satz kommt nicht von ungefähr: „Gemeinsam kommen wir zusammen“ ist nicht nur der Titel des Integrationsberichts, der hier gleich präsentiert werden wird (Details zum Bericht im Artikel unten), sondern auch ein Programm, das wenig später ganz Österreich verkündet werden soll.

Es sitzt sich angenehm in den gemütlichen Fauteuils des Radiokulturhauses in der Argentinierstraße in Wien. Die letzten Vorbereitungen: Auf der Bühne schwirrt Arabella Kiesbauer umher und prüft, ob das Mikrofon richtig sitzt. TV-Kritiker haben ihre Talkshows als niveaulos abgehakt, das Online-Kompendium „Wikipedia“ geht mit der Wienerin, Tochter einer Deutschen und eines Ghanesen, etwas nobler um: Sie sei Vertretern der „lauten Nachmittagstalkshow“.

Was kommt, ist allerdings kein Nachmittagstalk. Es ist Vormittag, zu hören sind kurze Fragen und ebensolche Statements, die ein Teilnehmer schlicht als „Info-Rap“ bezeichnet. Kiesbauer moderiert routiniert und laut ist nicht einmal die musikalischen Zwischenauftritte von „Fatima Spar und die Freedom Fries“. Die Musik soll ins Ohr gehen. Im Saal wabert Wohlfühl-Stimmung, ein bisschen „Multi-Kulti“ auch.

Law and Order

Und der Innenminister ist mitten drin. Günther Platter stellt den Bericht zur Integration vor und gibt gleichzeitig den Startschuss zu einer breiten Diskussion. Später wird er auch bekennen, dass er mit 15 „nicht zur Freude meiner Eltern“ selbst in einer Band gespielt hat. „Aber Spaß gemacht hat es.“ Auf der politischen Bühne spult Günther Platter professionell sein Programm ab: Der VP-Politiker, der wegen seiner „Law-and-Order“-Asyl- und Zuwanderungspolitik ins Kreuzfeuer vieler Kritiker geraten ist, gibt sich hier ein neues Image. Ein Politiker, der die Hände reicht und sich auffallend moderat gibt. Die Integration von Zuwanderern sei, so Platter, „ein Thema, an dem man sich die Finger verbrennen kann“, nichtsdestotrotz eine der „bedeutendsten Aufgaben“ und jedenfalls ein „zentrales Politikfeld der Zukunft“.

Und der Gegenwart: Zumindest 16 Prozent der Österreicher haben einen sogenannten „Migrationshintergrund“. Die detaillierte Analyse zeigt, dass dies nicht nur ein statistisches Faktum ist, sondern auch die Realität der Menschen prägt – im Zugang zur Bildung, beim Lebensstandard, im Alltag. Platter reicht die Hand jenen, die „legal im Land sind“ und Integrationswillen zeigen. Gleichzeitig räumt er ein: „Wenn wir ehrlich sind, dann hat unsere Gesellschaft das Ziel noch nicht erreicht“ – verhaltene Schelte an der Offenherzigkeit des „homo austriacus“ Fremdem gegenüber.

Und noch einmal Schelte, diesmal am Wahlkampf der FPÖ in Graz. Ohne Akteure und Partei namentlich zu nennen meint er, eine „Partei muss sehr tief gesunken sein“, wenn derart „Öl ins Feuer“ gegossen werde, wie dies in Graz geschehen sei. Für den VP-Politiker ist dies schlichtweg „schäbig“. Egal, ob es sich um „religiöse oder politische Hasstiraden“ handle: Derartige Akteure „haben eigentlich im politischen Diskurs nichts verloren“.

„Es geht nicht um Asyl“

Ansonsten hält sich Platter mit Bewertungen zurück: Die würden erst folgen, wenn die öffentliche Debatte im Sommer beendet sei und er im Juli mit dem Integrations-Maßnahmenpaket in den Ministerrat gehen werde. Klar ist für ihn jedoch, dass das Fremdenrechtspaket nicht angerührt werde. „Es geht nicht um Asyl.“ In erster Linie gehe es um jene, die bereits hier sind, „die legal hier sind.“ Eine Bedingung bringt er dann doch schon jetzt in die Debatte ein: die „Österreich-Charta“. Sie soll verpflichtend werden und „unsere Traditionen, unsere Werte“ herausstreichen. „Ganz besonders angesprochen soll dabei die deutsche Sprache werden“. Konkreter will Platter nicht werden.

Mehr als 40 Jahre nach dem Eintreffen der ersten Gastarbeiter in Österreich ist ihm jetzt wichtig, die Integrationspolitik auf eine andere Ebene heben: „Ganz Österreich wird zu einer Integrations-Plattform“ wünscht sich der Minister, der in das Radiokulturhaus nicht nur alle Beteiligten, die am Integrationsbericht mitgearbeitet haben, und Journalisten geladen hat, sondern auch Nationalratsabgeordnete und Regierungsmitglieder. Gefolgt sind der Einladung allerdings nur eine Handvoll Politiker aus dem Parlament. Meinung S. 39

INTEGRATIONS-PROZESS

Innenminister Günther Platter (ÖVP) wurde zum Integrationsbeauftragten der Regierung ernannt. Seine Aufgabe ist es, bis zum Sommer Maßnahmen zur Integration auszuarbeiten.

16 von Platter beauftragte Experten haben in einem ersten Schritt einen Bericht erarbeitet, der nun im Internet verfügbar ist (www.integration.at) und dort diskutiert werden kann.

Im April und Mai werden auf einer „Österreich-Tour“ die Ergebnisse vorgestellt. Im Juni wird Platter seinen Maßnahmen-Katalog präsentieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2008)

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