Kaffee und Tee, Essig und Senf

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Zwei Dynastien. Mautner Markhof und Meinl vermissen ihre Patriarchen.

Mit dem Tod von Julius Meinl IV. und Manfred Mautner Markhof haben zwei österreichische Traditionsunternehmen ihren „Patron“ verloren. Zwar ist in beiden Firmen schon seit längerem die nächste Generation an den Schalthebeln, aber die Verstorbenen übten bis zuletzt Aufsichtsfunktionen in den ihnen anvertrauten Firmen aus.

Beide waren sie Erben. Reiche Erben. Von den Vorfahren übernahmen sie beileibe nicht nur florierende Firmen und österreichische Markenzeichen, sondern auch das Lebensgefühl der Gründerzeit, die vom liberalen Großbürgertum geprägt war und in der „Neuen Freien Presse“ ihre so typische publizistische Ausformung fand.

Grüne Bohnen am Fleischmarkt

Die Geschichte der Meinls geht bis ins Jahr 1862 zurück, als der „erste“ Julius M. am Wiener Fleischmarkt sein Geschäft eröffnete. Er war aus dem böhmischen Graslitz gekommen, das die Tschechen heute Kraslice nennen, und er begann den Handel mit grünen Kaffeebohnen. Die Hausfrauen waren unglücklich darüber, weil die Ware nur zu oft beim Rösten auf dem Küchenherd verbrannte. Meinl erkannte die Marktnische, eröffnete zusätzlich in der Neustiftgasse eine Kaffeerösterei – also unweit jener Stelle, an der Kara Mustafa 1683 angeblich seine Kaffeesäcke zurücklassen musste.

Ein Society-Eklat

In der Monarchie wurde das Unternehmen führend. Auch nach dem Ersten Weltkrieg blühte das Geschäft mit Kaffee, Tee und Spirituosen. MeinlII. gebot 1939 über mehr als tausend Filialen in ganz Europa, in denen auch andere Lebensmittel von überdurchschnittlicher Qualität verkauft wurden. Er sorgte unfreiwillig für einen Society-Skandal, gegen den unsere Grassers, Lugners und Kdolskys blass aussehen: Der verwitwete Kaffeemogul hatte 1931 die um 40 Jahre jüngere Musikstudentin Michiko Tanaka aus Japan geheiratet. Doch die „Kirschblüte“ verliebte sich in den Schauspieler Viktor de Kowa. Der Frauenschwarm hielt 1937 ganz offiziell bei Meinl II. um die Hand seiner Gattin an. Meinl verzichtete großmütig.

Lehrlinge mit Topausbildung

Die prägende Unternehmerpersönlichkeit war ohne Zweifel Meinl III. Er übernahm 1933 das operative Geschäft und expandierte gewaltig. Am Beginn des Zweiten Weltkriegs musste er samt Familie nach England emigrieren, er kehrte erst 1947 zurück, kaufte den Konkurrenten, die „Brüder Kunz“, rief 1956 den „Spar- und Kreditverein der Freunde & Angestellten der Julius Meinl AG“ wieder ins Leben, den die Nazis 1943 liquidiert hatten. Daraus sollte dann im Jahr 1979 die heutige Meinl-Bank hervorgehen.

Und Meinl III. setzte sich noch eine weiteres „Denkmal“. In seiner „Akademie“ bildete er Lehrlinge zu topqualifizierten Kaufleuten aus, die ein bisschen mehr konnten, als nur eine Ware an den Mann bringen: Sie hatten Stil und geschliffene Umgangsformen – eben die Qualitätsmerkmale eines Marktführers. Das moderne Gebäude in der Lainzer Straße ist zwar angesichts des dortigen Ensembles eine Bausünde allerersten Ranges, aber hier wird heute noch der Nachwuchs geschult, wenngleich längst unter dem Markenzeichen von Spar.

„Jackie“, der Pilot

Der heuer verstorbene Meinl IV. hielt sich weitgehend im Hintergrund, was man von seinem Sohn, dem jetzigen Clanchef, nicht behaupten kann. Der 1930 geborene MeinlIV. („Jackie“) absolvierte in England die Ausbildung zum Wirtschaftsprüfer und lernte bei der Royal Air Force das Fliegen, das bis zuletzt seine große Leidenschaft blieb. 1953 trat er als Vizepräsident des Aufsichtsrates in das Familienunternehmen in Wien ein und leitete als international versierter Experte persönlich auch den Kaffeeeinkauf. Das Logo der Firma Meinl, der 1924 von Joseph Binder entworfene Meinl-Mohr, ein dunkelhäutiger Kinderkopf mit hohem, rotem Fes auf gelbem Grund, erfuhr zwar mehrere zeitgeistige „Novellierungen“, ist heute geradezu schon Kult. Alte Metallschilder erzielen bei Auktionen hohe Werte. Weil sie eben das Straßenbild bis in die Neunzigerjahre prägten.

Nicht für immer. 1996 wurde Österreich Mitglied der EU und dadurch Teil eines großen Wirtschaftsraumes. Der geschützte österreichische Markt öffnete sich. Daher sahen Julius Meinl IV. und sein Sohn, der jetzige Firmenchef, neue Herausforderungen, aber auch neue Chancen: Sie stiegen 2000 aus dem Lebensmitteldetailhandel aus und konzentrierten sich auf das Bankgeschäft und den „Meinl am Graben.“ 5000 Angestellte mussten sich anderweitig umsehen. Rewe und Spar waren die Nutznießer.

Auch die Meinls kamen aus Böhmen

Nobler noch und kunstsinniger traten die Mautners auf dem geschäftlichen und gesellschaftlichen Parkett der Reichshaupt- und Residenzstadt auf. Freilich erst nach einem mühsamen Beginn. Die ursprünglich jüdische Familie stammt aus Böhmen. 1690 wird der Name erstmals in einem Kaufvertrag einer Brennerei in Smirschitz erwähnt. Im Jahr 1840 übersiedelte Ignaz Mautner nach Wien und pachtete vorerst die Brauerei St.Marx, die er 1856 auch kaufte und 1861 um weitere Liegenschaften erweiterte.

Und dann erhaschte Mautner ebenfalls einen Zipfel vom Reichtum. Seine Entwicklung der industriellen Fertigung von Presshefe setzte sich weltweit durch. 1872 wurde er folgerichtig – wie viele „Ringstraßen-Barone“ – zum „Ritter von Markhof“ nobilitiert. Trotzdem blieb er stets in Simmering.

Seine (getauften) Söhne Karl Ferdinand und Georg Heinrich vergrößerten das Unternehmen und gründeten – noch in den Zeiten der Monarchie – in Floridsdorf die Presshefe- und Spiritusfabrik. Unter Viktor Mautner Markhof, dem Sohn Karl Ferdinands, wurde die Brauerei mit jener von Dreher-Meichl zu den Vereinigten Brauereien Schwechat, St.Marx, Simmering AG fusioniert. Die Brauerei war die drittgrößte in Europa. Seit 1913 wurde die Produktion auch auf andere Lebensmittel, wie Senf und Essig, erweitert.

Wie die Rothschilds

Doch aller Reichtum wurde stets verbunden mit karitativer Tätigkeit. Man wollte es den ebenfalls geadelten Rothschilds gleichtun. Und da das Bankhaus das Rothschild'sche Spital am Währinger Gürtel (heute steht dort das Wifi) stiftete, zogen die Mautners von Markhof mit dem nach ihnen benannten Kinderspital im dritten Bezirk gleich. Das bekannteste Mitglied der Familie im 20.Jahrhundert war Manfred MM senior. Der Herr mit dem konservativen Backenbart war omnipräsent, wenn es um Kulturveranstaltungen ging. Sein Interesse am Musikleben glich einer lebenslangen Liebe, die mit Mäzenatentum verbunden war. Als Präsident der Wiener Konzerthausgesellschaft konnte er mit vielen Künstlern – Karl Böhm, Fritz Hochwälder befanden sich darunter – Freundschaft pflegen.

Der erste Fußballsponsor

Sein nun verstorbener Sohn „MMM“ jun. konnte sich neben dem Geschäft der Kunst, dem Sport und der Politik zuwenden. Er saß im Aufsichtsrat, während sein Cousin zweiten Grades, Georg, den Konzern lenkte. Die Schwechater Brauerei war 1967 die erste Firma, die sich traute, auf Fußballtrikots das Firmenlogo aufzudrucken – das war bei der Wiener Austria. Deren Präsident war praktischerweise zu dieser Zeit „MMM“.

Politiker und „Kämmerer“

Der „Junior“, wie er selbst im Alter noch genannt wurde, wollte aber auch politisch am Ball bleiben. So wie der Vater wurde er in der Industriellenvereinigung tätig, seit 1958 auch im Wirtschaftsbund, ebenso in der Wiener Kammer als Vizepräsident. Lange Zeit, bis 1999, nahm er sein Mandat für die ÖVP im Bundesrat sehr ernst. Und es waren nicht die schlechtesten Reden zur Europapolitik, die er dort unverdrossen hielt. Alles, was mit der Wiedervereinigung Europas zusammenhing, interessierte ihn brennend. Er engagierte sich in der Österreichisch-Deutschen Kulturgesellschaft ebenso wie im World Wildlife Fund. Stets mit seiner Gemahlin Margherita, geborene Gräfin Cassis-Faraone, aus einer Möbelfabrikantendynastie in Udine. Die vierfache Mutter hielt enge Freundschaft zum Wiener Erzbischof Franz König. Daher leitete sie auch viele Jahre den Katholischen Familienverband der Erzdiözese Wien.

Abschied von Senf und Essig

Genau wie Meinl zog sich auch die Familie Mautner Markhof 2001 aus der Feinkost GmbH zurück und überließ Senf, Sirup, Essig & Co. dem bayrischen Unternehmen Develey. Die Stammaktien der Firma sind aber weiter im Familienbesitz und auch das Management blieb österreichisch. Die Geschäfte des Unternehmens lenkt heute Manfred Leo Mautner Markhof. Man darf ihn getrost schon MMMIII. nennen. Die Dynastien leben fort.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2008)

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