Plakatflächen: Kritik am Wiener Platzhirsch Gewista

Die Presse (Clemens Fabry)
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Kontrollamtsbericht sieht Naheverhältnis zur Stadt als Grund für Bevorzugung. Wildplakatierer bangen wegen neuer Gewista-Tochter um ihre Zukunft.

Wien. Wem gehört der öffentliche Raum? Eine Frage, über die sich nicht nur mit Raumplanern lange philosophieren lässt, die aber zumindest für den „öffentlichen Grund“ der Stadt Wien beantwortet ist. Und zwar seit kurzem amtlich: In einem aktuellen Bericht kritisiert das Kontrollamt die Vormachtstellung der Gewista bei den Werbeflächen der Stadt Wien: „Die überwiegende Anzahl an Bewilligungen für Rolling Bords, City Light Vitrinen, Litfaßsäulen und Lichtmastwerbeflächen auf öffentlichem Grund wurden von einer einzigen Firma (eben der Gewista; Anm.) erwirkt.“

Auf die Gesetze des freien Marktes ist diese massive Präsenz der Gewista laut Kontrollamt nicht zurückzuführen. Es ortet eine Bevorzugung durch die Stadt Wien. „Die Vorgangsweise der einzelnen Dienststellen bei der Vergabe von Werbeflächen ließ das historisch gewachsene Naheverhältnis der Stadt Wien zu dieser Firma erkennen“, so das Kontrollamt wörtlich.

„Hat nichts mit der SPÖ zu tun“

Zum Hintergrund: Die Gewista wurde 1921 von der Gemeinde Wien gegründet, war Teil der Wien Holding und wurde 1993 privatisiert. Seit 2001 ist sie zu zwei Dritteln im Besitz des französischen Konzerns JCDecaux, ein Drittel hält die Progress Beteiligungs GesmbH. Für die Wiener ÖVP deutet das darauf hin, dass die SPÖ indirekt an der Gewista beteiligt ist. Die Progress gehört nämlich zu 40 Prozent der A.W.H. Beteiligungs GesmbH, in der SP-Landesparteisekretär Harry Kopietz stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates ist.

Aus diesem „historisch gewachsenen Naheverhältnis“ haben sich für die Gewista laut Kontrollamtsbericht konkrete Vorteile ergeben: die Bevorzugung gegenüber anderen Unternehmen bei der Vergabe freier Flächen und der Höhe der Gebühren, die „dem marktwirtschaftlichen Preisniveau bei weitem nicht entspricht“. Darüber hinaus sei die Gewista bevorzugt worden, indem „in mehreren Fällen die erforderlichen Bewilligungen fehlten oder die vorgeschriebenen Sachverständigengutachten nicht eingeholt“ wurden.

Bürgermeister Michael Häupl reagierte auf die Vorwürfe verärgert. Im Gemeinderat bestritt er, dass die Gewista in Wien ein Monopol im Plakatbereich habe. „Ich warne vor Unterstellungen auch gegenüber der SPÖ.“ Die Gewista sei ein Privatunternehmen. Sollte es gemäß EU-Recht zu einer unzulässigen Bevorzugung gekommen sein, sei dies zu ahnden. „Aber das hat nicht mit der SPÖ zu tun.“

Wildplakatierer in der Klemme

Auch das Ende 2007 gegründete Gewista-Tochterunternehmen „Kultur:Plakat GmbH“ verteidigte Häupl, sie sei ein Mittel zur Eindämmung des Wildplakatierens. Sie wurde als gemeinsame Initiative von Gewista und einem Großteil der Wildplakatierer (je nach Quelle zwischen 70 und 90Prozent) aus dem Kunst- und Eventbereich präsentiert.

Grüne und ÖVP befürchten, dass sich durch die „Kultur:Plakat“ kulturelle Off-Szene und Kleinveranstalter keine Plakatankündigungen mehr leisten können. Kleinplakate sollen künftig nämlich nur noch an den etwa 5000 an Lichtmasten montierten Halbschalen der Gewista affichiert werden. Mindestbuchung: 200 Plakatflächen à 2,95 Euro pro Plakat und Woche.

Weiterhin illegal angebrachte Plakate will „Kultur:Plakat“ gemeinsam mit der Stadt Wien so rasch wie möglich entfernen. Sehr zu Häupls Freude. Schließlich seien Sicherheit und Sauberkeit ein wesentliches „Asset“ Wiens. Dann ist auch klar, wer hier der Platzhirsch ist, im öffentlichen Raum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2008)

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