Brennende Felder für den grünen Treibstoff

(c) Thomas Seifert
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Über dem verkohlten Zuckerrohrfeld kreisen Geier. Sie sind auf der Suche nach Überresten von Tieren, die das Feuer überstanden haben. Eine unheimliche Atmosphäre. Es riecht nach verbranntem Holz. Die Zuckerrohr-Arbeiter wirbeln mit jedem Machetenschlag Asche auf. Eine kleine Kompanie von Arbeitern hackt das Zuckerrohr knapp über der Wurzel ab und schichtet das „Cana-de-Açúcar" auf einer geraden Linie auf. Die Brandrodungen der Zuckerrohrfelder erleichtern zwar das Abernten des Zuckerrohrs, hinterlassen jedoch eine zweifelhafte Klimabilanz.

Um drei Uhr am Morgen haben die Arbeiter das Feld angezündet. Das Feuer lodert eine Stunde bis es wie ein Lagerfeuer langsam erlischt. Vier Stunden später sind dann die Zuckerrohrschneider auf das Feld ausgerückt und haben früh am Morgen begonnen das Zuckerrohr abzuhacken. „Wenn man das Zuckerrohrfeld abbrennt, erntet jeder Arbeiter etwa zehn Tonnen Zuckerrohr pro Tag. Würde man es nicht abbrennen, dann würden sie nur drei Tonnen schaffen", erklärt Valdemy Gomes, der Betreuer der Zuckerrohrschneider auf der Plantage der Grupo Carlos Lyra in São Miguel dos Campos bei Maceió. Aus einer Tonne Zuckerrohr können schließlich 92 Liter Ethanol gewonnen werden. „Wenn das Feld abgebrannt wird, bleibt nur die Stange des Zuckerrohrs übrig und die Blätter verbrennen. Zum Abbrennen gibt es keine Alternative, wenn wir nicht mehr brandroden, dann müssen wir maschinell ernten und dann verlieren die Menschen hier ihren Job."

Die Zuckerrohrarbeiter auf den Feldern der Raffinerie Caeté der Grupo Carlos Lyra erhalten einen Grundlohn von 418 Reais (ca. 180 Euro), wenn sie 3-4 Tonnen pro Tag abernten. Für jede zusätzliche Tonne erhalten sie eine Prämie, die je nach Art der Zuckerrohrpflanze ermittelt wird. Die Arbeiter leisten einen Knochenjob. Um die Beine haben sie Schienbeinschoner geschnallt. Alle tragen getönte Arbeitsbrillen, die sie vor der brennenden Sonne und der aufwirbelnden Asche schützen soll. „Ich bekomme ungefähr 1000 Reais (400 Euro) pro Monat", sagt der 42-jährige José dos Santos Silva. Sein Gesicht ist schweißgebadet, Asche klebt an seiner Stirn. Mit seinem blauen Tropenhelm und der scharfen Machete in der rechten Hand wirkt er wie ein Fremdenlegionär. Dies ist bereits seine achte Erntesaison auf dieser Plantage. „Die Arbeit ist zwar hart aber sie gefällt mir", sagt er.

Pünktlich um elf Uhr haben die Arbeiter eine Pause. Sie bekommen einen weißen Plastikbeutel mit lila Sojamilch, weiches Sojabrot und einen kompakten Zuckerwürfel, der ihnen Energie für die schwere Arbeit geben soll. Die Arbeitszeit auf diesen Zuckerrohrfeldern liegt bei sieben Stunden. „Wenn die Arbeit etwas länger geht klagen die Zuckerrohrschneider manchmal über Rücken- oder Gelenkschmerzen. Ansonsten gibt es hier kaum Probleme", sagt Valdemy Gomes, der Betreuer der Arbeiter.

Mensch vs. Maschine

Auf einem benachbarten Feld hat die Firma die Ernte bereits mechanisiert. Eine monströse Maschine erledigt hier die Arbeit der Zuckerrohrschneider. Auf diesem Feld leuchtet noch das satte Grün der Pflanzen, bis die Maschine zum Angriff auf das Zuckerrohr ansetzt. Zwei sich drehende Kegel, die zum Ende spitz zulaufen, heben das Zuckerrohr leicht aus der Erde. Rasiermesserscharfe Klingen trennen das Zuckerrohr von der Wurzel ab, das über ein Fließband in die Ladebox eines Lasters transportiert wird. Zwei runde Metallarme, die etwa zwei Meter über dem Boden schweben, schneiden die Blätter der Pflanze ab. Sie werden mit einem lauten Ansaugventil wieder auf das Feld zurückgeblasen, wo sie langsam zu Humus verrotten.

So praktisch und umweltfreundlich die maschinelle Ernte auch sein mag - sie hat drei Nachteile: Erstens kostet eine neue Erntemaschine über eine Million Reais, zweitens zerstört sie die Arbeitsplätze der Zuckerrohrschneider und drittens ist deren Einsatz nur auf flachem Gelände möglich.

Etwa 300 Kilometer nördlich von der Plantage Caeté liegt eine Ethanol-Raffinerie der Grupo JB im Bundesstaat Pernambuco. „In diesem Staat pflanzt man schon seit über 400 Jahren Zuckerrohr an, der Boden hat sich schon so daran gewöhnt, dass hier wohl kaum eine andere Art angepflanzt werden kann", erklärt Jaime Beltrão Neto, der Umweltmanager auf dem Raffinerie-Gelände. Die Zuckerrohrernte kann hier nur sehr schwer mechanisiert werden, da die Felder sich über weite Hügelkuppen ziehen und die Ernte mit Maschinen nur auf flachem Land möglich ist.

Eines der Zuckerrohrfelder liegt inmitten einer Senke und erstreckt sich über die steilen angrenzenden Hügelketten. Nachdem die Zuckerrohrarbeiter das verbrannte Feld gerodet haben, schiebt ein Traktor die Zuckerrohrbündel hinunter in die Ebene, wo sie von einem speziellen Gefährt mit großen Greifarmen in einen Laster verladen werden. Nach der Ernte lässt man das Feld ruhen und wartet, bis aus den Wurzeln wieder neue Zuckerrohrpflanzen sprießen. „Wir müssen nur 20 Prozent der abgeernteten Fläche wieder neu bepflanzen", sagt Jaime Beltrão Neto.

Neue Wurzeln aus alten Pflanzen

Auf den Zuckerrohrplantagen der Raffinerie Caeté in der Nähe von Maceió wird gerade ein Feld neu bepflanzt. Zuerst reißt ein scharfkantiges Ackergerät, das von einem Traktor übers Feld gezogen wird, den Boden auf. Anschließend wird der Boden gepflügt. Die Zuckerrohrarbeiter füllen die Mulden mit Zuckerrohrstangen, die bei der letzten Ernte übrig geblieben sind und zerhacken diese in gleichmäßiger Präzision mit ihren Macheten. Durch das zerkleinern wächst die Pflanze schneller. Nachdem die Mulden wieder mit Erde zugeschüttet wurden, sprießt aus der Zuckerrohr-Stange schon nach wenigen Tagen eine Wurzel für das neue Zuckerrohr.

„Das Klima ist hier im Bundesstaat Alagoas im Grunde sehr gut - nur leider etwas trocken. Wir müssen die Felder daher bewässern", erklärt Mauricio Lyra, Agrar-Manager der Raffinerie Caeté. „Wir versuchen ständig unsere Produktivität zu verbessern, momentan belaufen sich unsere Produktionskosten für einen Liter Ethanol auf etwa 80 Centavos (ca.30 Cent) Eine 320 Meter lange Bewässerungsmaschine wandert über die Felder, 100 Meter legt sie in etwa zweieinhalb Stunden zurück. Über drei Meter hohe Zuckerrohrpflanzen können mit dieser Maschine großflächig bewässert werden. An der 320 Meter langen Stange sind Wasserdüsen angebracht, die das kühle Nass über dem Feld zerstäuben.

Der Kreislauf der Natur

„Danach müssen wir nicht mehr viel machen. Das Zuckerrohr ist eine recht anspruchslose Pflanze, dem Boden setzten wir nur noch zu, was die Pflanze braucht". In einem Labor analysieren Mitarbeiter der Grupo Lyra den Boden und leiten davon die Nährstoffbedürfnisse der Erde ab. „Oft braucht der Boden noch Phosphor, Kalium, Mangan oder Magnesium. Diese Stoffe führen wir ihm durch zahlreiche Nebenprodukte der Ethanol- oder Zuckerherstellung zu. Wir benutzen hier keine chemischen Düngemittel", sagt Mauricio Lyra.

Nach neun Monaten ist das Zuckerrohr dann wieder auf stattliche drei Meter angewachsen und bereit für die Ernte. Wenige Stunden vor der Ernte wird das Feld dann wieder in Flammen aufgehen. Aufs Neue werden die Arbeiter ihre harte Arbeit verrichten und die wertvolle Pflanze aus den Feldern schlagen, um aus dem nachwachsenden Zuckerrohr das heiß begehrte Ethanol zu gewinnen.


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