Donaucity: Die Platte beleben? Wachsen lassen!

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Stadtleben sucht man auf der Donauplatte vergeblich. Alles fährt hier – vorbei. Noch.

Sie wundern sich wahrscheinlich, jene 8500 Menschen, die hier wohnen und arbeiten. Da leben sie an einem Ort wie der Donaucity (DC), der als zweites, als modernes Zentrum Wiens von den Stadtplanern erfunden wurde und gerne als solches verkauft wird. Und gleichzeitig wird ihr Wohn- und Arbeitsplatz, Wiens Skyline am Donauufer, quasi für tot erklärt.

Wie sonst kann man den oft gehörten Wunsch der Stadtpolitiker verstehen, die Donauplatte müsse „belebt“ werden? Der kommt verlässlich dann, wenn wieder einmal eine (Kultur-)Institution auf Standort-Suche ist. Ab auf die Platte zwecks „Belebung“ ebendieser, heißt es dann. Was würde hier nicht alles residieren, wären diese Wünsche erhört worden! Die Angewandte, die TU. Ja, ein eigenes Opernhaus für die Platte wurde angedacht (siehe Artikel unten). Und verworfen. Zuletzt winkte das Filmkulturzentrum ab. Man wolle sich nicht „von oben“ einen Standort vorschreiben lassen.

Schon gar nicht einen jenseits der Donau, der das (kulturelle) Leben bislang eher nicht angezogen hat. Und der weniger wegen seiner architektonischen Qualität – hinter den Hochhäusern stehen immerhin Namen wie Krischanitz oder Hollein – als wegen Problemen für Schlagzeilen sorgt. Allen voran der Wind, der aufgrund der Sogwirkung zwischen den Hochhäusern beinahe unerträglich stark durch die DC fegt. Ein Planungsfehler, der die Bewohner mehr bewegt als die Frage nach Urbanität. „Belebung? Wir brauchen eine Lösung für das Wind-Problem“, sagt Dimitri Volkov, der seit Jahren hier lebt, im Vorbeigehen. Stehen bleiben will er nicht – zu stark weht einem der Wind um die Ohren.

Das Image der „Geisterstadt“ begleitet die DC von Anfang an. Sieht man vom Pfeifen des Windes ab, ist es hier an den Vormittagen – auch dank des fehlenden Autoverkehrs – tatsächlich ziemlich still und leer. Wie auch an Nachmittagen. An den Abenden sowieso. Das ändert sich nur zwei Mal am Tag: Morgens, wenn die 5000 Menschen die in den Türmen arbeiten, in die Büros eilen – und am späten Nachmittag, wenn sie diese wieder verlassen und in die U1-Station eintauchen.

„Stadtleben ist etwas Anderes“

Aber auch während dieser „zwei Mal täglich Rush Hour“, wie es der Architekt Peter Schneider, der hier im Tech Gate-Tower arbeitet, nennt, kann man der DC eines nicht nachsagen: Dass sie sich das Attribut lebendig umhängen kann. Der Wunsch nach „Belebung“ scheint plausibel, wenn man zwischen vielen Glas- und noch mehr Betonflächen gegen den Wind anspaziert. Vorbei am „Chang Asian Noodles“, das einzig vom Mittags-Geschäft lebt und spätestens um 15 Uhr die Lichter abdreht.

Mehr Leben, findet Schneider, könnte die DC durchaus brauchen. Die sei zwar ein sehr guter Ort zum Arbeiten und Wohnen. „Aber alles andere, was sonst eine Stadt definiert, fährt daran vorbei.“ Das einzig relevante Freizeitangebot – die in den Wintermonaten verwaiste Copa Cagrana – würde die Beschäftigten kaum ansprechen. Kultur- und Freizeiteinrichtungen hätten kaum Chance, zu bestehen, glaubt er. Weil die DC zu wenige Bewohner habe. Und weil Wiener, die hier nicht wohnen/arbeiten, „keinen Grund haben, hierher zu kommen“. Grünraum rundherum (Donaupark etc.) hebe die Lebensqualität, sei aber in Sachen Belebung ein Nachteil. „Die Platte hat Stadtrand-Qualität“, sagt Schneider. „Städtisches Leben ist etwas Anderes.“

„Die Donaucity ist tot“, formuliert es Mumok-Direktor Edelbert Köb. „Das ist eine einzige Wohn-Arbeits-Schlafwüste.“ Dabei habe man hier eine „an sich spektakuläre Situation“. Die von den meisten nicht angenommen, vielmehr ignoriert wird. Kein Wunder, findet Köb. Es gebe keine gehobene Gastronomie, kaum Kultur. Genau das will Köb ändern. Eine Dependance seines Museums (Mumok 21) will sich als erste große Kultur-Institution auf die Platte wagen – gehobenes Restaurant inklusive. „Jemand muss anfangen“, sagt Köb. Andere sollen nachziehen, hofft er.

Gegen mehr Kultur hat Thomas Jakoubek, Vorstand der „Wiener Entwicklungsgesellschaft für den Donauraum“, in deren Eigentum die „Vienna DC“ steht, nichts. Dass die DC tot gesagt werde, sei „typisch Wien. Alles Neue wird herunter gemacht“. Zu Unrecht: „Es ist ja nicht so, dass die DC aus leer stehenden Ruinen besteht.“ Vielmehr seien alle Wohnungen und Büros vergeben, die Warteliste lang. Die DC auf Urbanität abzuklopfen, dazu sei es zu früh. „Das braucht Zeit, um zu wachsen“, sagt er. Einen „Attraktivitätsschub“ erwartet sich Jakoubek von den beiden Perrault-Türmen. Mit dem 220 Meter hohen „Tower 1“ (Baubeginn: Sommer) entsteht hier das höchste Gebäude des Landes.

Immerhin: Als Hintergrundkulisse in Werbespots wird die Donaucity immer wieder genutzt. „Das zeigt“, sagt Architekt Schneider, „dass sie doch für ein modernes Wien steht.“ Zumindest in der Werbebranche.

AUF EINEN BLICK

In der Donaucity am linken Donauufer leben und arbeiten 8500 Menschen. In den nächsten Jahren werden es 15.000 sein.
Ab Sommer entstehen hier die zwei Perrault-Türme. „Tower 1“ wird mit 220 Metern Österreichs höchstes Gebäude sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2008)

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