Zessner-Spitzenberg: Er war gewiss ein Opfer

Es war ein „Großreinemachen“ der Geheimen Staatspolizei, die Aktion in Österreich nach dem sogenannten „Anschluss“. Die zu Recht gefürchtete Gestapo leistete ganze Arbeit. Die Verhaftungen sämtlicher Regimegegner erfolgte nach genauem Plan und aufgrund längst ausgearbeiteter Listen.

Einer der bekanntesten Monarchisten geriet ebenfalls in die Mahlsteine der Nazis. Es war der Baron Hans Karl Zeßner-Spitzenberg, 1885 in alten böhmischen Adel hineingeboren. Der Wiener Ordinarius für Verfassungs- und Verwaltungsrecht hatte naturgemäß einige Vorbehalte, was die „Ständestaat“-Verfassung Engelbert Dollfuß' vom 1.Mai1934 betraf. Dennoch rief er Anfang März die Monarchisten auf, Schuschniggs (vereitelte) Volksabstimmung für ein selbstständiges Österreich zu unterstützen.

„Die Nacht vom 11. auf den 12.März 1938 war“, schreibt Zeßners Sohn Karl Pius, „die Ölbergstunde unseres Vaters. Wir saßen rund um den Esstisch und hörten die Abschiedsrede von Bundeskanzler Schuschnigg. Als der letzte Ton des ,Kaiserquartetts' verklungen war, kniete unser Vater nieder und forderte uns auf, mit ihm den schmerzhaften Rosenkranz zu beten. Im Radio hörten wir dann noch die Klänge der 8. Symphonie, der „Unvollendeten“, von Franz Schubert und kurz danach: zackig-abgehackte preußische Militärmusik. Welch ein Kontrast! In der Sprache der Musik kam so die ganze Wucht der Wende zum Ausdruck, die die Tore in eine schreckliche Zukunft öffnete.“

Am 18.März'38 wurde Zeßner während der Heiligen Messe in der Kaasgrabenkirche von der Gestapo verhaftet. Bis zum Juli war er im Wiener Landesgericht in „Schutzhaft“, dann begann sein Leidensweg mit dem Transport (in einem Viehwaggon) ins Konzentrationslager Dachau. Jeder Fünfte erlitt bereits bei diesem Transport schwere Verletzungen, so auch Zeßner: Ein Schlag in die Nieren bewirkte schwere innere Verletzungen, die wohl zum frühen Tod des KZ-Häftlings geführt haben.

Entkräftung durch Sklavenarbeit

Im Lager bekannte Zeßner, dass er „im Glauben an Gott und an ein christliches Österreich unter der Führung des Hauses Habsburg die einzige Rettung für die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit meines Vaterlandes“ sehe. Er kam in den „Isolierblock“ und hatte härteste Sklavenarbeit zu verrichten. Schon in der ersten Woche verließen den Unglücklichen die Kräfte. Die linke Niere versagte, er magerte bis zur Unkenntlichkeit ab, am 1.August kam der erlösende Tod durch Entkräftung. Die Angehörigen wurden verständigt; sie sollten entscheiden, ob die Leiche oder nur die Asche des Verstorbenen nach Wien überführt werden solle. Trotz enormer Kosten entschied sich die Witwe für eine Überführung des Sarges. Das Begräbnis fand am Grinzinger Friedhof statt.

Karl Pius Zeßner meint: „Aus welchem Grund wir das große Glück hatten, den Leichnam unseres Vaters von der Gestapo freizubekommen, ist uns unbekannt. Wir wissen nur, dass er und der Schwiegersohn von Bundespräsident Miklas die Einzigen der 10.000 Ermordeten waren, deren Särge aus dem KZ Dachau in die Heimat überführt werden konnten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2008)

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