Der bisher größte Weinskandal erschüttert Italien

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wasser, Chemie, Düngemittel und Salzsäure - all diese Stoffe wurden in italienischen Billigweinen nachgewiesen. Auch hunderttausende Flaschen der Edelsorte Brunello wurden beschlagnahmt.

Rom. Zuletzt das Dioxin im Mozzarella, jetzt die Salzsäure im Wein: Italien hat seinen nächsten Lebensmittelskandal. Und auch gefälscht wird weiterhin. Hunderttausende Flaschen des edlen Toskana-Tropfens „Brunello“ sind beschlagnahmt worden.

Vor allem bei italienischen Billigweinen ist aber zuletzt offenbar fleißig gepanscht worden: Siebzig Millionen Liter sollen es sein. Siebzigtausend Kubikmeter italienischen Billigweins, so hat Polizei herausgefunden, enthalten höchstens ein Drittel Traubenmost; der Rest ist Wasser, Chemie, Zucker, Düngemittel, Schwefel- und sogar Salzsäure.

Das ruft Erinnerungen an den Ethanol-Skandal in den Achtzigerjahren hervor. Damals starben sogar mehrere Menschen an gepanschtem italienischen Wein.

Todesfälle gibt es diesmal nicht, der neuerliche italienische Weinskandal schlägt trotzdem hohe Wellen: Das italienische Magazin „l'espresso“ hat die alarmierenden Befunde am Freitag veröffentlicht – termingerecht zur „Vinitaly“ in Verona, der größten italienischen Weinmesse überhaupt. Die Daten zweifelt niemand an; Landwirtschaftsminister Paolo De Castro ärgert sich nur darüber, dass die Untersuchung verfrüht an die Öffentlichkeit gelangt sei; man sei mit den Ermittlungen noch nicht fertig.

Demnach sollen etwa zwanzig Produzenten von Billigwein – betroffen ist die Preiskategorie 0,70 bis zwei Euro pro Liter – ihre Brühe nicht aus dem Weinberg gewonnen, sondern von zwei eigens dafür eingerichteten „Chemiefirmen“ in Apulien bezogen haben. Dieser gesundheitsgefährdend verfälschte Wein, so heißt es, sei größtenteils in italienischen Supermärkten verkauft worden, vorwiegend in den Regionen Lombardei, Venetien, Piemont und Umbrien.

Gemessen an den Preisen für echten Traubenmost hätten die Firmen – darunter die zwei nationalen Marktführer – ihre Gewinne um bis zu 90 Prozent gesteigert. Medien fordern nun die Regierung auf, die Namen der Panscher zu veröffentlichen und deren Produkte aus dem Verkehr zu ziehen.

Die zweite, gleichzeitig mit der „Vinitaly“ bekannt gewordene Großpanscherei beeinträchtigt zwar in keiner Weise die Gesundheit, wohl aber den Ruf italienischer Edelwinzer. Im toskanischen Montalcino, wo sich die Weinproduzenten vor der Nachfrage nach ihrem markenrechtlich besonders geschützten „Brunello“ nicht mehr retten können, hat die Lebensmittelpolizei hunderttausende Flaschen – vorerst – des Jahrgangs 2003 beschlagnahmt.

„Brunello“ wurde lieblicher gemacht

Der Vorwurf: Die Winzer hätten ihren „Brunello“ entgegen den Vorschriften nicht ausschließlich aus örtlichen Sangiovese-Trauben hergestellt, sondern ihn mit Merlot und Cabernet Sauvignon aus Süditalien verschnitten, um sich die Arbeit zu erleichtern und um das Getränk – für den Gaumen der amerikanischen Kunden vor allem – lieblicher ausfallen zu lassen.

Unter den dreizehn Kellereien, in denen die Polizei ermittelt, befinden sich weltbekannte Namen. So wurden 600.000 Flaschen im Castello Banfi beschlagnahmt, weitere bei Frescobaldi und Argiano; Antinori hat seinen Jahrgang 2003 lieber gleich selbst blockiert.

Vom „Brunello di Montalcino“, der neben dem „Chianti classico“ in vielen Teilen der Welt als Inbegriff italienischen Weins gilt, werden jedes Jahr knapp sieben Millionen Flaschen produziert, die meisten für den Export. Ein Viertel geht direkt in die USA, zehn Prozent nach Deutschland, sieben Prozent in die Schweiz. 247 Produzenten erwirtschaften mit dem „Brunello“ einen Jahresumsatz von 120 Millionen Euro.

Das Auffliegen der beiden Skandale zeigt nach Ansicht von Landwirtschaftsminister De Castro immerhin, „dass unsere Kontrollen funktionieren“.

Dasselbe will Italien auch vom Mozzarella sagen können: Nach dem Bekanntwerden (leicht) überhöhter Dioxinwerte im kampanischen Büffelmozzarella finden derzeit flächendeckende Untersuchungen in der Region um Neapel statt. Jede einzelne Käserei wird für die Dauer der Prüfung stillgelegt – das heißt: Zehn Tage lang darf sie nicht produzieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2008)

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