Die größte Dürre seit 40 Jahren hat die Stauseen austrocknen lassen. Barcelona droht die Wasserrationierung.
PALMA/MADRID. Als der nordspanische Ebro-Fluss nach den österlichen Schneefällen in den Pyrenäen über die Ufer trat, war das nicht ohne Symbolkraft. Die Fluten des Flusses überschwemmten unter anderem das Gelände für die Expo 2008, mit der sich Aragoniens Hauptstadt Zaragoza diesen Sommer ganz dem Wasser widmen will.
Die meiste Zeit des Jahres ist der Ebro nur ein dünnes Rinnsal. Doch an seinem Unterlauf ist der Ebro wie so viele Flüsse Spaniens gestaut und beliefert die Felder an der Mittelmeerküste mit Wasser.
44 Prozent weniger Regen
Doch der Wassermangel wird in Spanien immer virulenter. Nach Angaben des Umweltministeriums herrscht die schwerste Dürre seit mindestens 40 Jahren. Insgesamt ist der Niederschlag in Spanien seit 1930 um sagenhafte 44 Prozent zurückgegangen. Die Stauseen sind auf ein Minimum geschrumpft oder teilweise ausgetrocknet.
Und es soll sogar noch heißer und trockener, dabei stürmischer werden. Damit verbunden werden sich auch die wirtschaftlichen und demografischen Entwicklungen im Königreich beschleunigen: Versteppung und Entvölkerung des Hinterlandes, Zuwanderung und Bebauung der Metropolen und Küsten. Der konservative Premier José María Aznar gab ein Mammut-Projekt in Auftrag, mit dem Wasser aus dem Ebro und dem nördlichen Segura-Fluss nach Valencia, in die Gemüseregion Murcia und bis nach Andalusien umgeleitet werden sollte.
Der Sozialist José Luis Rodríguez Zapatero ließ das Vorhaben nach seinem Wahlsieg 2004 stoppen und stattdessen Meerwasserentsalzungsanlagen bauen, Umweltaspekte spielten dabei nur vordergründig eine Rolle: Valencia und Murcia sind Hochburgen der konservativen Volkspartei (PP), während Katalonien von Nationalisten oder von dem örtlichen Verband der Sozialisten regiert wird.
Wasser ist im Spanien des 21. Jahrhunderts der Quell allen Wohlstands geworden. Die geopolitischen Achsen der PP laufen von Südost (Valencia, Murcia) nach Nordwest (Galicien, derzeit sozialistisch), während die Sozialisten sich von Nordwesten (Katalonien, Aragonien) nach Südosten (Kastilien, Andalusien) orientieren.
Kurz nach seiner Wiederwahl am 9. März bringt der chronische Wassermangel an der Mittelmeerküste Zapatero aber in eine politische Zwickmühle: In Barcelona, wo die Sozialisten sich gerade behaupteten, drohen im Herbst Wasserrationierungen, sollte es nicht überraschend regnen. Entsprechend fordern die Katalanen nun zügig eine Umleitung des Wassers aus dem Segura-Fluss nach Katalonien.
Kanäle für politische Freunde
Eine derartige Maßnahme würde den Konservativen aber politische Munition liefern: Die „umweltfreundlichen“ Sozialisten bauten Staudämme und Kanäle nur für ihre politischen Freunde, während sie Valencia und Murcia wörtlich „austrockneten“.
Widersetzt sich Zapatero aber den Forderungen aus Barcelona, riskiert er die wichtige Unterstützung Kataloniens für seine Regierung. Bisher fiel Madrid nur ein, eine weitere Entsalzungsanlage zu bauen. Bis diese fertig ist, hieß es, könne Wasser aus einer entsprechenden Anlage aus Andalusien geliefert werden – per Schiff.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2008)