Die Welt bis gestern: Androsch: Mit ihm verlor Kreisky sein Glück

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Um die Schlüsselfigur der Siebzigerjahre kommt kein Politologe herum.

Von Alfred Gusenbauer hält er im vertrauten Kreis recht wenig, vom früheren VP-Obmann Josef Taus hingegen viel, was ökonomisches Verständnis betrifft. Vom amtierenden SP-Staatssekretär merkt er sich nicht einmal den Namen; dem früheren VP-Generalsekretär Hermann Withalm zollt er Respekt. Ist das alles nur Attitüde wie weiland Kreisky? Oder resignatives Desinteresse für eine Politikergeneration, die auf die alten, die erfolgreichen Genossen von gestern pfeift?

Weder noch. Der Mann, der am 18.April seinen Siebziger feiert, war ein politisches Wunderkind, ist ein millionenschwerer Investor – und als einfaches kritisches Floridsdorfer SPÖ-Mitglied immer noch auf der Höhe der Zeit, wenn es um interne Abläufe in „seiner“ Partei geht.

Hannes Androsch ist – und war zeitlebens – ein „Rechter“ in der österreichischen Sozialdemokratie. Das war er schon als VSStÖ-Funktionär während des Wirtschaftsstudiums, während Heinz Fischer in den Sechzigerjahren „links“ sozialisiert wurde. Beide hätten sie gleichermaßen das Zeug gehabt, Partei- und Regierungschef zu werden. Ob Fischer der versäumten Gelegenheit nachtrauert, Regierungsmacht in Händen zu halten, weiß keiner so recht. Bei Androsch weiß man es, spürt man es bei jedem Gespräch. „Wenn man etwas gestalten oder verändern will, braucht man Macht, so wie ein Gärtner eine Schaufel braucht.“ Darüber helfen die fettesten Profite seiner zahllosen Firmenbeteiligungen nur zum Teil hinweg. 100 Millionen Euro liegen in der Privatstiftung, aus der er nicht nur für die Akademie der Wissenschaften Geldflüsse abzapft. Und seit das bekannt ist, muss er viel Zeit darauf verwenden, Finanzblutegel abzuwehren, die ihm ständig Finanzierungsprojekte aufschwatzen wollen. Und ihn natürlich als zahlenden Teilhaber wollen – klar.

Kindheitserlebnisse prägen sich besonders stark ein. Der Biografin Liselotte Palme hat er eines aus dem Jahr 1945 geschildert. Die Familie war kurz vor Kriegsende zu Verwandten nach Südmähren geflüchtet. An einem Junitag dieses Jahres mussten alle deutschen Bewohner ihr Dorf verlassen. Sie gingen in ihrem schwarzen Sonntagsstaat. Zum Abschied von der Heimat knieten Onkel und Tante nieder und küssten die Türschwelle ihres Hauses.

Aus der Geschichte lernen

Die Österreicher durften noch zwei Tage bleiben. Lia Androsch stellte ihren sechsjährigen Sohn Hannes zum Fenster: „Schau dir an, was hier passiert. Das darfst du dein ganzes Leben nicht vergessen.“ Der Sohn hat sich daran gehalten. Österreichs wechselvolle Geschichte wird ihm von Jahr zu Jahr wichtiger. Und nicht jeder kann von sich behaupten, dass er zehn Jahre der Nachkriegshistorie entscheidend mitgestalten durfte.

Die Floridsdorfer Steuerberatungskanzlei „Consultatio“, die ihm Ende der Achtzigerjahre politisch das Rückgrat brechen sollte, hatte er von den Eltern übernommen. Die schickten den ältesten Sohn auf die Hochschule für Welthandel, wo er 1959 sein Diplom machte, dann die Wirtschaftsprüfer- und Steuerberaterkonzession erwarb und zehn Jahre später das Doktorat.

Da war er schon SPÖ-Abgeordneter und hatte in den „sozialistischen Uradel“ eingeheiratet. Seine Ehefrau Brigitte, mit der er beim Studium bekannt wurde, ist eine Großnichte des Bundespräsidenten Adolf Schärf. Ihr Vater Paul war Generaldirektor der „Wiener Städtischen“. Und dennoch: Jüngster Finanzminister in der 2.Republik wurde er nur durch die Verweigerung der eigentlichen Favoriten: Der Steirer Schachner-Blazizek und der Wiener Felix Slavik sagten Bruno Kreisky ab, als er seine erste SP-Alleinregierung 1970 zu bilden hatte.

Kreisky war trotzdem stolz auf seine „dritte Wahl“. Der „Sonnenkönig“ und sein politischer Ziehsohn waren lange Jahre ein unschlagbares Doppel. Sie drückten den Siebzigerjahren ihren Stempel auf – bis sich die beiden „Alphatiere“ zwangsläufig voneinander entfernten. In der Geschichte gibt es nur ein vergleichbares Ereignis, das die SPÖ ebenso erschütterte wie der Bruch zwischen Kreisky und Androsch. Das war der ebenso brutale Sturz des Franz Olah.

Zerwürfnis und tiefer Fall

Es kriselte schon Mitte der Achtzigerjahre. Androsch wollte nach einem Posten greifen, den ihm „der Alte“ verweigerte: Nationalbankpräsident. „Fahnenflucht“ sei das für einen so politischen Kopf, urteilte Kreisky. Von da an nahm Kreisky an einer Situation immer öfter Anstoß, die schon über zehn Jahre lang bestand und bekannt war: Der Finanzminister war zugleich Inhaber bzw. Teilhaber der florierenden Steuerberatungskanzlei „Consultatio“. Er hatte seine Anteile Treuhändern übergeben, aber der Neid auf den jüngeren und reicheren Rivalen machte Kreisky rasend – und damit blind. Androsch musste 1980 alle politischen Funktionen zurücklegen. Und wurde zur CA weggelobt.

Erst in der Folge, da war Kreisky schon längst ein kränkelnder Ruheständler, kamen gerichtliche Erhebungen wegen länger zurückliegender finanzieller Unklarheiten und eine Anklage wegen privater Schwarzgeldkonten Androschs. Seine Angabe, sein reicher Wahlonkel Steiner habe ihm viel Geld zur Verfügung gestellt, erwies sich nicht als tragfähig: Androsch wurde nach langem Instanzenzug schließlich rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung verurteilt. So musste er 1988 auch als CA-General gehen.

Sein „drittes Leben“ sollte damit aber erst beginnen. Seine „Androsch International Consulting AIC“ leitet er von der prominentesten Adresse Wiens: Opernring Nr. 1.

AT&S ist Europas größter Leiterplattenhersteller, sein Exschwiegersohn Sommerer als Vorstandschef erwies sich als gute Wahl. Seit Androsch Fabriken in Ostasien errichtet, hat sich auch sein Horizont geweitet. Heute kann er anderen Tipps über die wirtschaftliche Entwicklung in Indien und China geben (siehe nebenstehenden Beitrag).

Als Aufsichtsrat des Forschungszentrums Seibersdorf hat er den Vorstand in einer ziemlich plötzlichen Aktion ausgewechselt, den Universitätsrat der Montanuniversität Leoben leitet er seit 2003. Und mit der Errichtung der „Stiftung Hannes Androsch“ bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften war erst der Anfang gemacht. Seine sture Beharrlichkeit hat 2005 der Regierung Schüssel eine gewaltige Blamage erspart. Zum 50.Geburtstag der 2.Republik hätte sie aus eigener Kraft nicht einmal eine Ausstellung auf die Füße stellen können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2008)

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