Braucht Afrika wieder Kolonien?

Möglich: denn besser, ein Holländer und hundert internationale Beamte regierten Simbabwe als der verrückte Mugabe.

Es gibt vermutlich nur wenige Möglichkeiten, Steuergeld noch ineffizienter auszugeben als es in Entwicklungshilfe für Afrika zu stecken. So segensreich einzelne Projekte sind: Im Großen und Ganzen steht der Nutzen, den Milliarden von Dollars in den letzten Jahrzehnten gestiftet haben, in keinem nur annähernd verantwortbaren Verhältnis zum Aufwand.

Dass die Regierung nun die Kosten für den Bundesheer-Einsatz im Tschad als „Entwicklungshilfe“ verbuchen will, macht so gesehen Sinn. Wenn österreichische Soldaten dort Menschen beschützen, ist das wesentlich sinnstiftender als manche Entwicklungshilfe im herkömmlichen Sinne.

Und trotzdem besteht Handlungsbedarf, wenn trotz der sich nun schon jahrzehntelang nach Afrika wälzenden milliardenbreiten Geldströme heuer mehr als 200 Millionen Menschen südlich der Sahara hungern müssen; Tendenz dank der törichten Biospritproduktion eher steigend. Noch augenfälliger kann eine Politik nicht scheitern als diese „Entwicklungshilfe“, die nicht den Hunger in Afrika, sondern bloß das schlechte Gewissen der Geberländer lindert.

Es gibt freilich einen Grund dafür, dass das System „Entwicklungshilfe“ trotz seiner Dysfunktionalität nicht geschlachtet wird, obwohl das dringend nötig wäre. Denn dies setzte voraus, dass sich Geber- wie Nehmerländer über eines einig werden: dass die zentrale Ursache des afrikanischen Elends ist, dass die meisten Regierungen dieses Kontinents aus Dieben, Betrügern und anderen Gaunern bestehen. Afrika leidet nicht unter einem Mangel an Reis, sondern an einer Überproduktion von Regierungskriminellen. Und: Die meisten afrikanischen Nationen sind evidentermaßen nicht imstande, daran etwas zu ändern. Auch Revolutionen führen regelmäßig bloß dazu, dass eine kriminelle Vereinigung von einer anderen abgelöst wird.

Daran wird bedauerlicherweise weder mehr noch andere Entwicklungshilfe entscheidendes verändern können. Vernünftig, wenn auch bedauerlicherweise eher wenig realistisch, wäre daher wohl die – zeitlich begrenzte und natürlich freiwillige – Aufgabe der Souveränität mancher afrikanischer Staaten und deren Ausübung durch die internationale Gemeinschaft.

Am Balkan war es ja auch nicht anders: Weil klar war, dass etwa Bosnien oder Kosovo aus Eigenem keine nachhaltige Stabilisierung der Lage möglich war, errichtete die Staatengemeinschaft dort eine Art von europäischer Binnenkolonie; durchaus zum Vorteil der temporär ihrer Souveränität Beraubten.Wenn aber die Errichtung derartiger „humanitärer Binnenkolonien“ am Balkan gerechtfertigt war, dann ist sie im südlichen Afrika geradezu zwingend notwendig; denn im Vergleich dazu ist der Balkan ja geradezu eine luxuriöse Wellnessregion.

Würden Länder wie etwa das völlig kollabierte Simbabwe für ein paar Jahre von einem, beispielsweise, holländischen Hohen Vertreter und ein paar hundert internationalen Beamten regiert (statt von einem Typen wie Mugabe), würde das die Lebensverhältnisse der Menschen dramatisch verbessern – und unter anderem ermöglichen, auch wieder sinnvolle Entwicklungshilfe zu betreiben.

Christian Ortner ist Journalist in Wien.


christian-ortner@chello.at("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2008)

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