WU-Professor:„Warum ist der Aufschrei nicht größer?“

Werner Hoffmann
Werner Hoffmann (c) Clemens Fabry/ Die Presse
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WU-Professor Werner Hoffmann stellt der Standortpolitik der Regierung ein „uneingeschränkt schlechtes Zeugnis“ aus. Gerade die politisch oft gescholtene Industrie sorge dafür, dass es Wohlstand im Land gibt.

Die Presse: Am Dienstag hat die OMV mit Gazprom ein Abkommen geschlossen, wonach die Gaspipeline South Stream künftig in Österreich enden wird. Ein guter Tag für die Energiepolitik?

Werner Hoffmann: Ja. Denn Gas wird in den nächsten 50 Jahren ein wesentlicher Teil der Energieversorgung bleiben. Wir werden weiter aus Gas Strom herstellen. Wir werden aber auch umgekehrt aus Strom Gas machen – in Form von Wasserstoff –, um die Energie speichern zu können.


Das heißt, wir müssen halt auch die weitere Abhängigkeit von Russland akzeptieren.

Ja, aber jede Versorgungsleitung reduziert zumindest die punktuelle Abhängigkeit, etwa, indem nicht mehr das gesamte Gas durch die Ukraine kommt. Und Versorgungssicherheit ist für einen Wirtschaftsstandort essenziell. Diese ist zurzeit aber auch nur theoretisch gefährdet. Praktisch entscheidender ist leistbare Energie – für Haushalte und vor allem für Unternehmen.

Die Energiepreise haben jüngst zu einer Standortdebatte geführt. Voest-Chef Wolfgang Eder hat sogar Reinvestitionen am Standort Linz infrage gestellt. Verstehen Sie die Kritik der Industrie?

Ich teile die Kritik am wirtschaftspolitischen Umfeld uneingeschränkt. Wir bräuchten eine wesentlich offensivere Industrie- und Standortpolitik. Beim Thema Energiepreise wird unser Heil aber nicht nur in den niedrigsten Kosten liegen. Diese dürfen natürlich nicht so hoch sein, dass sie Unternehmen vertreiben. Der Standort Europa wird sich aber nicht vornehmlich über geringe Energiekosten definieren können. Vielmehr können hohe Energiepreise – wenn sie nicht prohibitiv hoch sind – Anreize zu Innovationen und neuen Geschäftsmodellen bieten.

Aber sind die Energiekosten nicht bereits zu hoch? Der Papierkonzern Sappi sagt etwa, dass in Gratkorn nichts mehr investiert werden soll – wegen der hohen Kosten.

Wenn Energie- und Arbeitskosten am oberen Ende und dann auch noch Umweltschutzauflagen und Bürokratie hoch sind, dann ist das Bündel zu viel. Ich glaube aber nicht, dass man das Problem nur bei der Energie lösen kann.

Wo sollte man ansetzen?

Das Hauptproblem sind die Arbeitskosten – vor allem die Steuern und Abgaben auf die Nettolöhne.

Wenn man sich Planungen der Regierung ansieht, geht die Reise aber in die andere Richtung. Demnach legt die Lohnsteuer bis 2018 am stärksten zu.

Bei Industrie- und Standortpolitik muss man der Regierung ein uneingeschränkt schlechtes Zeugnis ausstellen. Die Hypo dient derzeit als Feigenblatt für mangelnde Entlastungen, weil ja kein Geld da sei. Was wir wirklich brauchen würden, wäre aber endlich eine Staatsreform, bei der auch der Föderalismus mit all seinen Doppel- und Dreifachgleisigkeiten zurückgefahren wird. Es gibt aber eine komplette Unfähigkeit des politischen Systems zur Reform. So ist etwa in Wien die Pensionsreform bei Landesbeamten immer noch nicht umgesetzt. Dafür haben wir dann ja anscheinend die Millionen.

In welchem Ausmaß müsste man bei den Lohnkosten senken? Laut OECD fließen bei einem Durchschnittsverdiener bereits 49 Prozent an den Staat.

Dieser Wert sollte jedenfalls unter 45 Prozent sinken. Das sind rund zehn Prozent. Und es gibt auch ein Vorbild, wo das gemacht wurde. Ein Vorbild, das gerade von Sozialdemokraten früher gerne genannt wurde: und zwar Schweden. Dort wurde der Sozialstaat erhalten und das Land trotzdem wettbewerbsfähiger gemacht. Bei uns werden hingegen inzwischen sogar Rahmenbedingungen rückwirkend geändert – etwa der Förderzins, den die OMV zu zahlen hat. Ich halte das für einen Skandal und wundere mich oft, warum der Aufschrei nicht größer ist.

Vielleicht deshalb, weil in der Bevölkerung Industrielle ohnehin oft als „Bonzen“ gelten.

Ein Stück weit stimmt das sicherlich, weil immer noch – völlig zu Unrecht – dieses Feindbild Industrie geschürt wird. Dabei ist es gerade dieser Sektor, der den Wohlstand in Österreich absichert, indem er sicherstellt, dass die Politiker auch etwas zu verteilen haben.

Unter dem Strich ergibt sich das Bild, dass Asien niedrige Löhne, Amerika niedrige Energiekosten hat. Was bleibt dann für Europa?

Man sollte sich angesichts dieser Situation wirklich Sorgen machen. Man darf sich aber auch nicht zu Tode fürchten. Der Weg für Europa kann nur über Innovationen führen. Wir müssen endlich unser Potenzial vollständig entfalten. Es ist ein Gemeinplatz, aber er wird immer noch nicht berücksichtigt: Wir brauchen mehr Mittel für Bildung und Forschung und auch für den Transfer der Forschung in die Wirtschaft. Derzeit wird auch dort nach der Rasenmähermethode gespart. Das ist absurd und verantwortungslos. Wir müssen – auch wenn es wehtut – den Genuss in der Gegenwart reduzieren, um mehr für die Zukunft zu haben.

Wie sehen Sie die Bildungsdiskussion im Alltag. Firmen klagen oft über die geringer werdenden Kenntnisse der Lehrlinge. Wie sieht das bei den Erstsemestrigen aus?

Wir sehen ein Auseinanderklaffen. Eine Gruppe der Studierenden ist viel besser ausgebildet als je zuvor und bringt eine unglaubliche internationale Erfahrung mit. Bei anderen Erstsemestrigen fragt man sich, wie die eine Matura bekommen haben, weil sie so schlecht lesen und rechnen können. Beide Gruppen wachsen. Und das hat Sprengkraft für die Gesellschaft.

„PRESSE“-VERANSTALTUNG

Praxis trifft Wissenschaft. Bei „Wirtschaft Wissenschaft Unplugged“, einer Kooperation von „Presse“, Erste Group und Wirtschaftsuniversität Wien, sprechen Manager und Professoren über aktuelle wirtschaftliche Themen. Am 6. Mai diskutieren OMV-Vorstandschef Gerhard Roiss und Werner Hoffmann vom Institut für Unternehmensführung an der WU über das Thema „Wirtschaftsmotor Energie“. Im Anschluss moderiert Hanna Kordik, Leiterin des Wirtschaftsressorts der „Presse“,
eine Publikumsdiskussion. Weitere Informationen und Anmeldung unter diepresse.com/unplugged

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2014)

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