Standortpolitik: Ratlos, hilflos, sprachlos

MINISTERRAT: PRESSEFOYER
MINISTERRAT: PRESSEFOYER(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Immer mehr Manager üben harsche Kritik an der aktuellen Wirtschaftspolitik. Der öffentliche Hilfeschrei ist kein Zufall: Mit der Regierung gibt es längst keine Gesprächsbasis mehr. Die Chronologie einer Entfremdung.

Es ist gar nicht so lange her. Vor ein paar Monaten geschah es. Da hatte ein österreichischer Topmanager eine Handvoll Journalisten zu einem Hintergrundgespräch eingeladen. Er musste seinem Ärger einfach Luft machen, seinem Ärger über die Regierung nämlich. Trotzdem bat er eindringlich: Sein Frust über die aktuelle Wirtschaftspolitik dürfe nicht veröffentlicht werden. Man weiß ja nie, und sicher ist sicher.

Schlecht für die Journalisten, fein für die Regierung. Doch das ist ohnehin Schnee von gestern. Mittlerweile vergeht kaum eine Woche, in der hochrangige Manager des Landes nicht mit der Regierung hart ins Gericht gehen. Öffentlich. Lenzing-Chef Peter Untersperger kritisiert die mangelnde Planbarkeit von Investitionsentscheidungen und liebäugelt mit dem Ausland, OMV-Chef Gerhard Roiss schimpft über den rückwirkend angehobenen Förderzins für die Öl- und Gasförderung, Voestalpine-Boss Wolfgang Eder kritisiert die fehlende Strategie in der Energiepolitik, Heinrich Schaller, Chef der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, denkt angesichts der Bankenabgabe laut über eine Übersiedlung seiner Zentrale nach Bayern nach – und Erste-Generaldirektor Andreas Treichl soll eine Abwanderung der Bank nach Prag in Erwägung gezogen haben.

Was ist in so kurzer Zeit passiert? Wieso ist plötzlich Schluss mit der vornehmen Zurückhaltung? Ganz einfach: Es hat sich jede Menge Unmut, Zorn und Frustration aufgestaut. Und die Wirtschaftstreibenden des Landes haben ausschließlich eine Möglichkeit, Dampf abzulassen und Veränderungen zu fordern – nämlich über die Medien. Mit dem eigentlichen Adressaten für Beschwerden, nämlich der Regierung, gibt es keine Gesprächsbasis mehr.

„Werner Faymann und Michael Spindelegger haben ganz offensichtlich kein Interesse, mit Wirtschaftstreibenden in Diskussionen zu treten“, sagt ein Manager, der einigermaßen konsterniert ist. Wie auch nicht – ein Blick über die Grenzen zeigt, wie es sein könnte: Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel trifft sich in regelmäßigen, kurzen Abständen jeweils mit einer Handvoll Manager zum Gedankenaustausch. In Österreich ist hingegen der Kommunikationsfluss zwischen Regierungsspitze und Wirtschaftstreibenden zum Erliegen gekommen. Es wird nicht geredet, es wird nicht zugehört, es wird nicht diskutiert.

Wen wundert's, dass Manager vergangenen Zeiten nachtrauern. Unter Wolfgang Schüssel sei jedenfalls alles anders gewesen, wird unisono erzählt. Hans Haider, ehemaliger Chef des Stromkonzerns Verbund, erinnert sich: „Als ich den Job übernommen habe, gab mir Schüssel – damals noch Wirtschaftsminister – sofort seine Handynummer. Er meinte, ich könne ihn jederzeit anrufen, sollte es etwas Wichtiges geben.“ Fix vereinbart wurden monatliche Telefonate.

Den engen Kontakt pflegte Schüssel aber nicht nur mit den Chefs von Staatsunternehmen. Als Bundeskanzler gab es regelmäßig Kontakt zu Wirtschaftskapitänen etlicher Unternehmen und zahlreicher Branchen: Österreichische Topmanager im Ausland trafen sich ein- bis zweimal im Jahr mit dem schwarzen Kanzler. Unter anderem Nestlé-Chef Peter Brabeck-Letmathe, Fiat-Boss Herbert Demel, Holtzbrinck-Manager Michael Grabner, Sony-Europa-Chef Otto Zich oder Volkswagen-General Ferdinand Piëch.

Viel häufiger – weil terminlich einfacher zu koordinieren – waren informelle Gesprächsrunden und Telefonate mit Topmanagern im Lande. Außerdem gab es regelmäßig Betriebsbesuche bei mittelständischen Unternehmen. Zweck dieser Übungen: ein offenes Ohr für Probleme und Anregungen der Wirtschaft zu haben – auch für anstehende Gesetzesnovellen.

Und die SPÖ? Die war dereinst auch nicht faul. „Die Kanzler Franz Vranitzky und Viktor Klima haben Treffen mit der Wirtschaft nachgerade institutionalisiert“, erzählt Josef Kalina, einst Klimas Sprecher. Dass beide Kanzler ein offenes Ohr für die Wirtschaft hatten, ist aber auch naheliegend – sie kamen aus ebendieser: Vranitzky war zuvor Länderbank-General, Klima OMV-Finanzchef.

Doch im Laufe der Zeit ist der heiße Draht zur Wirtschaft erkaltet. Auf SPÖ-Seite legte Alfred Gusenbauer noch Wert auf ein gedeihliches Miteinander, bei der ÖVP war es zuletzt Wilhelm Molterer, der dann und wann mit Managern zusammentraf.

Und heute? Es herrscht endgültig Funkstille. SPÖ-Kanzler Faymann hat sich als exklusive Gesprächspartner Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm, ÖGB-Präsident Erich Foglar, Arbeiterkammer-Chef Rudolf Kaske und Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny auserkoren. Das war's auch schon. Manager haben im Faymann-Netzwerk keinen Platz.

Und Michael Spindelegger? Der hat, kurz nachdem er zum ÖVP-Chef gekürt wurde, „Unternehmen Österreich 2025“ mit viel Pomp und Trara ins Leben gerufen. Gemeinsam mit Wirtschaftstreibenden sollten dort neue Ideen für das Land geboren werden.

Teilnehmer berichten von einem einzigen Fiasko.

Das lag zunächst einmal daran, dass mehr als 200 Experten eingeladen wurden – ein gigantischer Rahmen, bei dem konstruktive Gespräche nur schwer möglich sind. Es kam zum Unvermeidbaren: Nach und nach absentierten sich Manager. „Wir haben uns gefrotzelt gefühlt“, erzählt einer. Das lag auch daran, dass Spindelegger sich stets zur Begrüßung einfand – und dann wieder ging. Zum Mittagessen kam – und dann wieder ging. „Die Sache war ihm ganz offensichtlich kein großes Anliegen“, ätzt einer. Abgesehen vom medialen Echo natürlich.

Derweil wuchs die Frustration bei den verbliebenen Teilnehmern. Vor allem, als ihnen plötzlich Zahlscheine überreicht wurden – mit der Bitte um finanzielle Unterstützung des Projektes. „Das war alles sehr befremdlich“, erinnert sich ein Manager. Zu guter Letzt fanden sich Themen, die in Arbeitskreisen besprochen worden waren, erst gar nicht in den öffentlich verteilten Maßnahmenkatalogen. Die Manager waren nachhaltig verstört.

Spindelegger hat dann im Wahlkampf versucht, die Wogen zu glätten. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit forderte er die berühmte „Entfesselung der Wirtschaft“. Doch im Regierungsübereinkommen fand sich davon – zum grenzenlosen Ärger der besagten Wirtschaft – nichts.

Politische Beobachter sind der Meinung, dass es dem ÖVP-Chef nicht mehr gelingen wird, das somit zerrüttete Verhältnis zur Wirtschaft wieder zu kitten. Er scheint es auch gar nicht erst zu versuchen.

Dafür haben ÖVP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer den Auftrag, die Wirtschaft bei Laune zu halten. Und so laden sie Manager ein- bis zweimal im Jahr zu Gesprächen ein. Das ist herzlich dürftig, aber besser als nichts, sagen Manager.

Wie das Leben so spielt: Nach den jeweils einstündigen Gesprächen gibt es immer eine Pressekonferenz. Zuletzt durfte der ORF auch während des Treffens mit den Managern filmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2014)

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